Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
IG GMWE – Pölziger Bahnhof e. V.
Am 3. Mai 2019 jährte sich zum 50. Mal das Ende des Reiseverkehrs auf der Schmalspurbahn Gera-Pforten – Wuitz-Mumsdorf. An dieses Ereignis erinnerte die Interessengemeinschaft GMWE – Pölziger Bahnhof e. V. vom 3. bis zum 5. Mai mit einem umfangreichen Programm. Als Auftakt für diese Veranstaltung nahm der Verein am Freitag in Pölzig die neugebaute Draisinenstrecke in Betrieb. Das Ziel, genau 50 Jahre nach dem letzten Personenzug den ersten „Zug“ in Form einer Handhebeldraisine in Fahrt zu bringen, gelang mit viel Engagement und Unterstützung durch die Vereinsmitglieder sowie Sponsoren. Pünktlich 17.30 Uhr erhob der Vereinschef in Uniform als Stationsvorsteher den Befehlstab und gab das Abfahrsignal. Heinz Klügel, Beigeordneter des Landrats, Christian Tischner, Vorsitzender der CDU-Fraktion des Stadtrates Greiz, sowie der Pölziger Bürgermeister Klaus-Frieder Heuzeroth nahmen unter den Klängen der Schnaudertaler Musikanten die in den vergangenen Monaten in Polen gebaute Draisine auf dem etwa 50 m langen Gleisstück in Betrieb.
Im Anschluss folgten im Saal der ehemaligen Gaststätte „Zum alten Bahnhof“ in unmittelbarer Nähe des Vereinsgeländes zwei Vorträge zur Geschichte der meterspurigen Schmalspurbahn und zum Verbleib verschiedener Fahrzeuge. Als Referenten hatte die IG dazu den Hauptautor des Buches „Die Schmalspurbahn Gera-Pforten – Wuitz-Mumsdorf und der Güterverkehr auf der Geraer Straßenbahn“, Dietmar Franz, sowie den Leipziger Eisenbahnfreund Michael Lückert gewonnen.
Eine Überraschung gab es anschließend von Manfred Tretner aus Söllmnitz. Der vor 85 Jahren im dortigen Empfangsgebäude geborene und dort aufgewachsene Eisenbahnfreund erzählte von seinen Erinnerungen an die ehemalige Gera-Meuselwitz-Wuitzer Eisenbahn (GMWE) und überreichte anschließend die originale Eisenbahnuniform seines Großvaters im Dienstrang eines GMWE-Eisenbahnsekretärs dem Pölziger Verein. Die anwesenden ehemaligen Eisenbahner der Schmalspurbahn hatten in ihrer Dienstzeit ab 1949 Uniformen der Deutschen Reichsbahn getragen.
Der anschließende Sonnabend (4. Mai) begann zunächst eher winterlich und wenig einladend. Regen und Schnee sorgten bei den Veranstaltern am Vormittag für Sorgenfalten. Doch Glühwein und Thüringer Bratwurst wärmten die Besucher ebenso auf wie der Kanonenofen im Empfangsgebäude. Die Mitglieder der Schalmeienkapelle Aga-Seligenstädt e. V. heizten den Besuchern ihrerseits mit zünftiger Blasmusik ein. Ab Mittag besserte sich das Wetter, wodurch sich der Gästezuspruch vergrößerte.
Der Modelleisenbahnverein „Friedrich List“ Leipzig e. V. sowie der MEC „Elstertal“ Gera e. V. hatten in der ehemaligen Gaststätte „Zum alten Bahnhof“ ihre Anlagen aufgebaut, die Abschnitte der GMWE im Modell zeigen. Ein Trödelmarkt und der Schienenersatzverkehr mit einem Traktorkremser waren ebenfalls gut besucht.
Mit dem vor dem Empfangsgebäude in Pölzig stehenden zweiachsigen gedeckten Güterwagen 99-61-01 und einigen Straßen-Oldtimern wurde eine Verladeszene nachempfunden. Außerdem stellte der Verein mit dem Traktorkremser den letzten Personenzug nach, der Pölzig am 3. Mai, 15.17 Uhr, in Richtung Gera verlassen hatte. Durch die Signalhörner und Glocke der Draisine sowie durch die Abfertigung des Traktorkremsers durch den Vereinsvorsitzenden in Reichsbahnuniform und mit Befehlstab Zp 9 sorgte diese Einlage bei den Fahrgästen des voll besetzten Kremserwagens sowie bei den Zuschauern für Gänsehaut. Die Fahrt auf dem Traktoranhänger führte bis Brahmenau auf dem Bahndamm, zurück hingegen über eine andere Strecke, da ja nach dem 3. Mai 1969 ebenfalls niemals wieder ein Personenzug nach Pölzig kam.
Bis nach Mitternacht blieb die Draisine in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag im Einsatz und bis 1 Uhr nachts waren Gäste im Empfangsgebäude. Auf den Schwellen der Draisinenstrecke brannten 50 Kerzen, was eine besondere Atmosphäre schuf.
Der Sonntag stand ganz im Zeichen der 1. Bahndammwanderung in der Vereinsgeschichte. Mit zwei Traktorkremsern startete zunächst die Tour zum Bahnhof Gera-Pforten. Hier verließen die Teilnehmer die Fahrzeuge und auf Schusters Rappen ging es auf dem ehemaligen Bahndamm nach Gera-Leumnitz. Der heutige Besitzer des dortigen Empfangsgebäudes öffnete sein Haus und ermöglichte die Besichtigung des Gebäudes. Anschließend ging es über Trebnitz nach Schwaara. Die dortige Gemeinde empfing die Gäste mit einem Imbiss und einem Filmvortrag. Danach wurde auf dem landschaftlich reizvollen Abschnitt nach Brahmenau die Wanderung fortgesetzt. Der Kenner der aus der Eiszeit stammenden Kulmklippen, Fred Heilmann, führte durch diese Überreste des Zechsteinmeeres. Nach einer Zwischenstation am Bahnhof Söllmnitz und der Besichtigung der dort noch vorhandenen Verladerampe ging es per Kremser zurück nach Pölzig.
Der dortige Verein dankt Heiko Lapp, GMWE-Kenner und Modelleisenbahner des MEC „Elstertal“ Gera e. V., für seine Reiseführung. Mit Fotos aus der Betriebszeit der Schmalspurbahn, Sachkenntnis zur Streckengeschichte und einigen „lustigen Episoden“ wusste er die Teilnehmer zu begeistern. Gegen 18 Uhr endete das Festwochenende.
Aus Sicht der IG GMWE – Pölziger Bahnhof e. V. war die Veranstaltung ein großer Erfolg und eine würdige Ehrung für die „Wuitzer“. Mit etwa 500 Besuchern lag die Gästezahl über den Erwartungen des Vereins. Die neu angefertigte Draisine war fast pausenlos im Einsatz, eine für das Fest gedruckte Broschüre verkaufte sich ebenfalls gut.
Nun stehen die nächsten Arbeiten an: Der an das Empfangsgebäude angebaute Güterschuppen muss saniert werden, außerdem soll die Draisinenstrecke eine Verlängerung erhalten. Der Verein bittet deshalb weiterhin um jegliche Unterstützung sowohl personeller als auch materieller Art.
Als nächste Veranstaltungen finden in Pölzig am 7. September 2019 das „Oldtimer- & Bahnhofsfest“ sowie am 8. September der „Tag des offenen Denkmals“ statt. Veranstaltungshinweise sowie weitere Informationen zum Verein gibt es im Netz unter www.gmwe-poelzig.de.
10.06.2019