Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
Weißeritztalbahn: Bautechnische Betrachtungen zum Wiederaufbau
Im Blickfeld der Öffentlichkeit
Wie so oft im Leben prägen Licht und Schatten die Szenerie. So sehr einerseits die sechs langen Jahre bis zur Wiederinbetriebnahme der Weißeritztalbahn nach dem Hochwasser 2002 schmerzlich waren, so intensiv hat andererseits der Bauherr SDG die Chance genutzt, alle Bahnanlagen durchzuarbeiten, die für den unmittelbaren Betrieb erforderlich sind, und hat sich zum Glück nicht nur auf die Beseitigung der Hochwasserschäden beschränkt. Davon konnten sich alle Interessenten überzeugen, sei es auf den Baustellen vor Ort oder per Bautagebuch der IG Weißeritztalbahn im Internet. Der Verband Deutscher Eisenbahn-Ingenieure (VDEI) e. V. bot mehrfach geführte Baustellenwanderungen an, die jeweils ganztags über die volle Distanz der 15 Kilometer zwischen Freital-Hainsberg und Dippoldiswalde gingen.
Baumaßnahmen unter verschiedenen äußeren Zwängen
Der begrenzte Etat von 18,7 Mio. EUR gestattete den Bauunternehmen keinen üppigen Materialeinsatz. Soweit wie irgend möglich, wurden alle altbrauchbaren Schwellen und Schienen wieder verwendet, selbst Spannbetonschwellen erhielten eine Dübelsanierung! Die Oberbauanordnung wurde nur an wenigen Stellen verändert. Geschweißte Weichen mit Federschienenzungen sind ohnehin seit 30 Jahren Stand der Technik und machen ausschließlich als Weichenschlosser eingesetzte Gleisbauer entbehrlich. Allerdings schwebende Stöße zu belassen und Führungen mit 180 mm Weite in Bahnübergängen zu plazieren, dürfte alsbald der neuen Bahn Probleme bereiten. Daß alle Kreuzungsbahnhöfe erhalten blieben, darf getrost als außerordentlich bemerkenswert gelten! Im Bahnhof Rabenau wurde ohne Bestellung eines Bahnunternehmens, und noch dazu angeordnet, als wenn der Güterschuppen existent wäre, ein Abstellgleis neu gebaut. Hoffentlich wird es bald mit Rangierfahrten belebt, wenn auch nur zu Demonstrationszwecken. Da könnte das Konzept Fuß fassen, die Weißeritztalbahn ganz gezielt für ein ernsthaftes facettenreiches Lehr- und Ausbildungsprogramm zu nutzen.
Zu Zeiten einer Bahnverwalterei war es üblich, daß Bahnunterhaltungsarbeiter nach den Wintertagen Bahngräben vom Laub des Vorjahres befreiten und Durchlässe auf ihre Funktion prüften. Durch den chronischen Personalmangel der DR war es mit dieser vorbeugenden Tätigkeit überall vorbei. Tiefbaubelange wurden jahrzehntelang vernachlässigt.
Mit dem Wiederaufbau wurden genau diese Defizite beseitigt, Bahngräben sind wieder offen, erhielten zum Teil einen gemauerten Ausbau, ebenso wurden viele Durchlässe erneuert. Die belüftete Bettung dürfte neue Holzschwellen länger leben lassen. Lediglich in Abschnitten mit Stahlschwellen ist der Einbau neuen Schotters mit kleinerer Korngröße nicht zu übersehen.
Die zuweilen tragische Symbiose einer Flußtalbahn zu ihrem benachbarten Wasserlauf läßt sich nie völlig ausschalten. Diese Erkenntnis war Veranlassung genug, alle unmittelbaren Stützwände mit massiverem Kolkschutz zu versehen, Dämme in bewehrter Erde aufzubauen und Gründungen mit Felsankern zu sichern. Um zukünftige Überflutungen sicherer zu überstehen, wurden Gabionen bis auf Schwellenoberkante hochgezogen, die die Bettung gegen den Fluß förmlich „einpacken“. Unter diesen Bedingungen wäre sogar der Übergang zum lückenlosen Gleis möglich, gäbe es hierfür gesicherte Bemessungsansätze für Schmalspurgleise. Mit den Gabionen verschwanden die sonst üblichen massiven Abdeckungen der Stützwände, inklusive der Stahlgeländer. An den neuen Anblick muß sich das Auge erst gewöhnen, auch das denkmalpflegerische Bewußtsein bleibt davon nicht unberührt.
Mittelfristig frei von Langsamfahrstellen
Die Vollsperrung bot die einmalige Gelegenheit, alle Brücken zu sanieren. So wurden auch die über 100 Jahre alten Viadukte des hochwassersicheren Abschnittes zwischen Spechtritz und Dippoldiswalde komplett saniert, das heißt ausgekoffert, die Dichtungen erneuert, Stirnwände gesichert und Randkappen gesetzt. So manche Sünde der Vorfahren wurde dabei offenbar - z. B. tiefliegende, nicht frostfreie Entwässerungen und an den Viadukten am Goldgrubenweg und am Bormannsgrund Mängel an der Verankerung der vormaligen Windschutzverbretterung. Der erste Viadukt im Rabenauer Grund erhielt, so wie bereits vor über 70 Jahren alle drei benachbarten Viadukte, nun endlich eine richtige Fahrbahnwanne, die das gesamte Mauerwerk für alle Zeiten vor Durchnässen schützt.
Daß dabei die letzten originalen Verankerungen der Brückenschwellen (tatsächlich waren es Schwellen und nicht Brückenbalken!) aus dem Jahre 1881 verschwanden, möge man zu Gunsten der Bauwerkssicherung verzeihen. Im Zeitalter des industriellen Bauens ist es üblich, massive Ingenieurbauten mit Sichtbeton erstrahlen zu lassen. Daß genau das dem Auge des Betrachters im Rabenauer Grund erspart bleibt, ist hoch zu würdigen, erhielten doch alle neuen Stützwände (nichttragende) Natursteinverblendungen, so wie der neue vierte Viadukt bei Kilometer 3,196 auch. Alle Überbauten der stählernen Brücken wurden aufgearbeitet und sämtliche Widerlager und Auflagerbänke erneuert. Der Konflikt der schiefwinkligen Überbauenden mit der rechtwinkligen Lage der Querschwellen bzw. Brückenbalken wurde mit Trägerersatzsystemen gelöst, die mit Rücksicht auf den umgebenen Laubbaumbestand besonders reinigungsfreundlich konzipiert sind, in der Hoffnung, daß diese Brücken auch tatsächlich in gewissen Abständen gereinigt werden. Denn auch der beste Korrosionsschutz verträgt auf Dauer keine stehende Nässe und Humusbildung.
Warum beim Neubau der beiden Stahlbrücken bei Kilometer 5,391 (Stabbogenbrücke oberhalb des Bahnhofes Rabenau) und Kilometer 14,006 (Brücke vor der Ratsmühle Dippoldiswalde) angesichts der bescheidenen Radsatzlast von 10 t Fahrbahntröge mit durchgehendem (schweren) Schotterbett gewählt wurden, bleibt das Geheimniss der Planer und darf getrost als konventionell gelten. Eine kontinuierlich gelagerte Schiene, wie vergleichsweise im neuen Dippoldiswalder Bahnübergang über die Reichstädter Straße auch eingebaut, hätte Überbauten mit deutlich geringerer Bauhöhe zur Folge gehabt und hätte auch dem Innovationsgeist der Ingenieure gut zu Gesicht gestanden.
Mittelfristig wird die Weißeritztalbahn frei von Langsamfahrstellen sein, vorausgesetzt die SDG kommt im Auftrag des Infrastruktureigners, dem Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, auch tatsächlich entstehenden Schäden zeitnah nach. Angesichts der Top-Fahrbahn von der Substanz zu leben, wäre töricht, es sei denn, die Perspektive für die gesamte HK wird langfristig erneut zur Disposition gestellt. Eisenbahn-Ingenieure auf Baustellenwanderung.
Nach den geführten Baustellenwanderungen im vergangenen Jahr veranstaltet die Professur Eisenbahnwesen der BTU Cottbus am Sonnabend, dem 25. April 2009, eine Sonderzugfahrt für Bahnfans, Eisenbahningenieure und Verkehrsgeschichtler. Absichtlich wird im „Pilgerschritt“ gefahren. Üppig bemessene Aufenthaltszeiten, Kreuzungen und Überholungen lassen einen abwechslungsreichen Bahnbetrieb aufleben und geben reichlich Gelegenheit zum bahngeschichtlichen und bautechnischen Austausch (Infos und Anmeldung unter www.verkehrswesen.tu-cottbus.de).
05.04.2009