Eisenbahn-Geschichte
Sommer 1952 – das Ende des Lokbahnhofs Harzgerode
Im Archiv des Verfassers liegen bruchstückhaft Unterlagen der DR über die Schmalspurbahnen im Harz seit 1949 vor. An bisherige Veröffentlichungen aus diesen Unterlagen soll hier angeknüpft und der Sommer 1952 betrachtet werden:
Am 18. Mai 1952 trat der Sommerfahrplan 1952 der Deutschen Reichsbahn (DR) in Kraft /1/. Wie im PK 190 /2/ berichtet, entsprach dieser Fahrplan grundsätzlich dem Winterfahrplan 1951/52 [3]. Neben der schon genannten Späterlegung des Gmp 9684 W entfiel der Gmp 9675 W (Harzgerode ab 7.50 – Alexisbad an 8.00 Uhr). Dieser Zug muss als Leer- oder Nahgüterzug (mit den Reisezugwagen) dennoch gefahren sein, da sonst für einen der beiden Nachmittags-Gmp ab Gernrode (Harz) keine Lok und keine Wagen zur Verfügung gestanden hätten.
Da der Fahrplan nun nicht besser als zuvor war, riss auch die Kritik nicht ab. So wandte sich die Quedlinburger „Volksstimme“ am 20. Mai 1952 hinsichtlich des Fahrplans zwischen Gernrode (Harz) und Harzgerode an die Pressestelle der Reichsbahndirektion (Rbd) Magdeburg. Am 26. Mai 1952 gab die Pressestelle das Schreiben an die Fahrplanabteilung und bat um Antwort. Die Fahrplanabteilung antwortete per Schreiben vom 5. Juni mit den bekannten Argumenten des Fahrzeugmangels. Neu ist allerdings eine Anmerkung zum Einsparen von Kraftstoffen: „Ausserdem sind wir angewiesen, zum Zwecke der Einsparung von Treib- und Kraftstoffen, z Zt keine weiteren Triebwagenfahrten im Regel- oder Sonderverkehr einzulegen.“
Auch die „Kritik-Redaktion Wirtschaft“ der Zeitschrift „Frischer Wind“ aus Berlin schrieb am 18. Juni 1952 an die Reichsbahndirektion (Rbd) Magdeburg. Dabei wurde bemängelt, dass man zum Wochenendausflug zwar samstags in den Harz fahren könne, es aber sonntags keine Rückfahrmöglichkeit im Bereich der Selketalbahn gebe. Im schönsten Zeitgeist wird eine Überprüfung gefordert und geschrieben: „Denn durch diese Maßnahmen ist der Reiseverkehr sonntags in die schönsten Gebiete des Ostharzes völlig unterbunden und dadurch ist aber Tausenden von Werktätigen und erholungssuchenden Menschen die Möglichkeit genommen worden, sich an den Schönheiten unseres Vaterlandes zu erfreuen, um neue Kräfte für den Kampf um die Erhaltung des Friedens und damit zur Erfüllung unseres Fünfjahrplanes zu schöpfen.“ Am 24. Juni 1952 antwortete die Rbd Magdeburg mit der bekannten Begründung des Lokmangels und der nicht gegebenen Einsatzbereitschaft des VT 133 522 für den Regelzugverkehr. Auch auf die Notwendigkeit des Einsparens von Kraftstoffen wird hingewiesen.
Mit Schreiben vom 24. Juni 1952 des Bahnbetriebswerkes (Bw) Wernigerode Westerntor an die Rbd Magdeburg schlug der Dienststellenvorsteher des Bw verschiedene Fahrplanänderungen vor, die vor dem Hintergrund des wohl gegebenen Personalmangels alle der Einsparung von Arbeitszeiten dienen sollten. Das betraf einerseits das Entfallen von Zugfahrten auf der Harzquer- und Brockenbahn, dies wurde wohl mit Fplo 47/1056 vom 29. Juni 1952 (handschriftlicher Vermerk des Fahrplanbearbeiters auf dem Schriftsatz) so umgesetzt, lässt sich aber an Hand des Schreibens und des Kursbuchs nicht vollständig nachvollziehen. Weiter wurde das Einlegen eines zusätzlichen Nahgüterzuges von Harzgerode (ab 20.00 Uhr) nach Gernrode (Harz) sowie eines weiteren solchen Zuges von Alexisbad (ab 5.10 Uhr) nach Harzgerode vorgeschlagen. Weiter sollte der N 9674 W täglich fahren.
Zielsetzung des Vorschlages war es, die Lokübernachtung in Harzgerode aufzulösen. Das Bw hatte seinen Vorschlag schon mal mit dem Fahrplan-Sachbearbeiter des Reichsbahnamtes (Rba) Halberstadt abgestimmt und forderte von der Rbd eine Umsetzung zum 1. Juli 1952. Die bat nun aber am 26. Juni zunächst das Rba um eine Prüfung. Besonders eilig hatte man es dort offensichtlich nicht, denn am 17. Juli mahnte die Rbd eine Reaktion an.
Per 21. Juli 1952 verfasste das Rba Halberstadt seine Auffassung zum Vorschlag aus Wernigerode. Danach unterstützte man das Anliegen wegen der sich ergebenden Personaleinsparung durch den Wegfall der Nachtbewachung in Harzgerode. Es sollten zusätzlich bzw. verändert fahren:
- Lz: Harzgerode ab 20.25 – Gernrode (Harz) an 21.24 Uhr
- Lz im Vorspann bei N 9674 W von Gernrode (Harz) bis Alexisbad und weiter als Lz (später 14906 genannt) an Werktagen von Alexisbad (ab 5.10 Uhr) nach Harzgerode (an 5.20 Uhr)
- Lz an Tagen S: Gernrode (Harz) ab 4.38 – Harzgerode an 5.35 Uhr
Die Besetzungszeiten des Fahrdienstleiters in Harzgerode sollten entsprechend ausgedehnt werden, während die Fahrdienstleiterposten für die Durchführung der zusätzlichen abendlichen Lz-Fahrt sowie derselben am Sonntagmorgen in Alexisbad und Mägdesprung nicht besetzt werden sollten. Die Zugmeldungen hierfür sollten zwischen den Fahrdienstleitern in Harzgerode und Gernrode (Harz) erfolgen, die Wegübergangssicherungsanlage (mechanische Vollschranke) in Mägdesprung sollte für diese Fahrten nicht bedient werden (jeweils Befehl für die Fahrten zur Sicherung des Wegübergangs). Dafür sollten entsprechende betriebliche Regelungen noch erarbeitet werden.
Am 22. Juli schickte das Rba Halberstadt seine Auffassung an die Rbd Magdeburg, bat aber darum, noch nichts umzusetzen, da die erforderlichen betrieblichen Regelungen noch nicht vorlägen.
Dann ging es recht schnell: Am 11. August 1952 veröffentlichte die Rbd Magdeburg (38 R 12 Bfp) die ab 18. August gültige Fplo 1123. Danach wurden neu eingelegt:
- Lz 14905 Harzgerode ab 20.25 Uhr – Gernrode (Harz) an 21.24 Uhr
- Lz 14906 W Gernrode (Harz) ab 4.00 Uhr im Vorspann 9674 W bis Alexisbad an 4.56/ ab 5.10 Uhr – Harzgerode an 5.20 Uhr
- Lz 14908 S Gernrode (Harz) ab 4.38 Uhr, Harzgerode an 5.35 Uhr
Die erforderlichen betrieblichen Regelungen sollten gesondert bekannt gemacht werden. Damit war das Ende des Lokbahnhofs Harzgerode gekommen. Den dort vorhandenen Lokschuppen benötigte das Bw Wernigerode Westerntor nicht mehr.
In den Unterlagen liegt weiter noch eine handschriftliche Notiz des Fahrplanbearbeiters der Rbd Magdeburg vor. Darin wurde auf eine Anfrage der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands (ein Zusammenschluss von Parteien und Massenorganisationen der DDR) vom 8. Juli 1952 an die Rbd Halle (Saale) zur Möglichkeit einer Anbindung von Güntersberge (Harz) an den Zugbetrieb reagiert. Man teilte letztlich am 9. August 1952 der Nationalen Front mit, dass von Aktivitäten zum Wiederaufbau des Streckenabschnitts von Lindenberg (Harz) nach Güntersberge (Harz) nichts bekannt sei.
Quellen
- /1/ Amtliches Kursbuch Deutsche Demokratische Republik, Sommerfahrplan 1952, Nachdruck, Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza, 2020.
- /2/ Bauer, Jörg: Kritik am Fahrplan der Selketalbahn in den Jahren 1951 und 1952, in: „Der Preß’-Kurier“ Februar/März 2023, PK-Verlag, Jöhstadt, 2023.
- /3/ Amtliches Kursbuch Deutsche Demokratische Republik, Winterfahrplan 1951/52, Nachdruck, Ritzau KG, Verlag Zeit und Eisenbahn, Pürgen, 1999.
14.04.2023