Reisebericht
Vor 40 Jahren erlebt
Erinnerungen von Thomas Krauß
Den Jahreswechsel 1981/82 verbrachte ich mit meinen Eltern in einem FDGB-Ferienheim in Elend im Harz. Natürlich waren die damals noch ölgefeuerten Harzbahndampfloks für mich als Eisenbahnfreund sehr interessant. In dem Ferienheim weilte auch eine Mitarbeiterin der Reichsbahndirektion Dresden. Nachdem sie mitbekommen hatte, dass ich mich für die Dampftraktion interessiere, verriet sie mir eine hochinteressante Neuigkeit, die mich aufhorchen ließ. Sie berichtete von den Plänen der Rbd zur baldigen Stationierung von Dampflokomotiven in diversen bereits dampffreien Bahnbetriebswerken, so unter anderem auch im Bw Glauchau. Nur wann es genau losgehen sollte, konnte sie mir leider nicht sagen.

Zurückgekehrt ins Muldental wurde ich am Sonntagnachmittag, dem 14. März 1982, auf immer näherkommende Geräusche einer Dampfpfeife aufmerksam. Ich nahm rasch meine Zenit-Kamera, radelte schnell zum Bahndamm, um am Einfahrsignal Wechselburg aus Richtung Lunzenau ein Foto vom ankommenden Dampfzug zu machen. Lange brauchte ich nicht warten, dann näherte sich der Nahgüterzug, geführt von der mit dem Tender voraus fahrenden 50 3523-3. Sollte das jetzt der angekündigte Beginn der Wiedereinführung des Dampfbetriebes im Bw Glauchau sein?
Als Schüler der 10. Klasse ging ich am darauffolgenden Montag wieder zur Schule. Da erschallte während des Physikunterrichtes kurz vor 12 Uhr plötzlich ein Dampflokpfiff. Nun hielt es mich nicht mehr auf dem Stuhl, ich musste unbedingt wissen, was da draußen gerade passierte. Vom Klassenzimmer aus konnte ich die Einfahrt des Sandzuges 56353 mit Zug- und Schiebelok in den Bf Wechselburg beobachten. Übrigens war es das einzige Mal, dass ich den Sandzug mit zwei Dampflokomotiven der Baureihe 50.35 erlebte. Bis heute ist mir jedoch nicht bekannt, welche die zweite Lok neben der 50 3523-3 war. Am Montagabend stand ich selbstverständlich wieder an der Strecke, um den „Nahgüter“ zu fotografieren.
Noch war meine Fototechnik sehr laienhaft, doch mit jedem Bild lernte ich dazu. Nur mit Schwarzweißfilmen ausgestattet, entstanden in der Anfangszeit aus Mangel an Mobilität meist Fotos rund um Wechselburg. Nachdem ich mit 16 den Motorrad-Führerschein abgelegt und mir eine MZ TS 125 zulegt hatte, vergrößerte sich der Aktionsradius für mein Hobby schlagartig. Anfangs standen dem Bw Glauchau nur die vier Lokomotiven 50 3516-7, 50 3523-3, 50 3658-7 und 50 3697-5 zur Verfügung. Deshalb sowie aus Waldbrandschutzgründen kam es im Sommer immer wieder zu kurzen Phasen mit Diesel-Ersatz durch Lokomotiven der Baureihe 118. Gerade im Anfangsjahr 1982 ereigneten sich regelmäßig kleinere Waldbrände, zu denen die Feuerwehr ausrücken musste.

Mit Eintreffen der Dampflok 50 3672-8, und später auch der 50 3576-1, entspannte sich die Loksituation etwas und es fand kaum noch Dieseleinsatz im Dampflokumlauf statt. Ab 1985 machte sich der langsame Rückzug der Dampftraktion insofern bemerkbar, dass die Rbd Dresden immer mehr anderswo überzählige Dampflokomotiven in Glauchau beheimatete und sich die Wartezeiten auf eine Untersuchung im Raw Meiningen ständig verlängerten. Die nicht mehr für den Zugdienst tauglichen Maschinen tauschte man nun häufiger mit gut erhaltenen Heizlokomotiven aus anderen Bahnbetriebswerken.
Der Dampflokeinsatz im Muldental sollte entscheidenden Einfluss auf mein weiteres Hobbyleben haben. Mit der Einstellung des Eisenbahnbetriebes im Muldental im Jahr 2002 begannen meine Überlegungen, in irgendeiner Form wieder Verkehr auf diese Strecke zu bringen. Größere Eisenbahnfahrzeuge schieden letztendlich aufgrund der hohen Kosten aus, da von keiner Seite finanzielle Unterstützung in Aussicht stand. Somit rückte der in Schwarzenberg vorhandene Schienentrabi in den Fokus. Der Kl 2001 befand sich gerade in meiner Garage in Wechselburg in Aufarbeitung und näherte sich seiner Fertigstellung. Was lag also näher, als ihn auf der Muldentalbahn Probe zu fahren? Als dabei keine Mängel auftraten, war für alle Beteiligten klar, dass damit die Zwischenlösung gefunden war, bis wieder richtiger Eisenbahnverkehr im Muldental stattfinden wird. Der Schienentrabi-Betrieb führte schließlich dazu, mich aktiv an der Erhaltung der Muldentalbahn zu beteiligen und in der 2020 gegründeten Muldenthal-Eisenbahn-Gesellschaft mitzuwirken.
20.04.2022