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Rezensiert: Schmalspur-Album Sachsen | Thumer Schmalspurnetz & Wilischthal – Thum
Ingo Neidhardt, Holger Drosdeck
Schmalspur-Album Sachsen
Deutsche Reichsbahn 1945–1978
Thumer Schmalspurnetz
Wilischthal – Thum
256 Seiten, Format 29,7 x 24 cm, Hartpappeinband mit ca. 650 Fotos, davon ca. 300 in Farbe SOEG mbH Verlag SSB-Medien, Zittau 2021. ISBN: 978-3-00-070421-5 Preis: 48,00 Euro
Von den drei für das Thumer Schmalspurnetz geplanten Bänden liegt seit Dezember 2021 das erste Buch vor und bereist fotografisch die 13,5 km lange Strecke von Wilischthal an der Zschopau durchs Tal der Wilisch nach Thum. Die Wilischtalbahn wurde am 28. Mai 1972 stillgelegt, da jedoch der Anschluss der Papierfabrik Wilischthal weiterhin bedient werden musste, gab es dort bis 1992 Betrieb. Eine erste Ungereimtheit des den Zeitraum von 1945 bis 1978 thematisierenden Buches ist, dass darin auch Bilder aus den 1980er Jahren und sogar von der orangefarbenen Ns4 199 008-4 aus dem Jahr 1991 abgedruckt sind. Dann hätte man auch Fotos von der Sonderfahrt der IG Preßnitztalbahn e. V. vom 14. Dezember 1991 mit der IV K 99 1586-9 in den Band aufnehmen können. So bleiben die Neubauloks der Baureihe 9977–79 die einzigen Schmalspurdampfloks in diesem Buch.
Auf dessen ersten 70 Seiten wird der Spurwechselbahnhof Wilischthal ausführlich betrachtet, der mit dem Viadukt über die Zschopau gleich das eindrucksvollste Bauwerk der Strecke zeigt. Aber auch auf den folgenden Seiten ist spannender Eisenbahnbetrieb zu beobachten, denn bis zur Betriebseinstellung prägten Güterzüge mit Personenbeförderung (Gmp) neben reinen Personen- und Güterzügen den Zugverkehr. Neben einer vielfältigen Zugbildung gibt es viele Rangierarbeiten auf den Zwischenstationen zu sehen – so im Bahnhof Gelenau, in den Anschlüssen der Spinnerei Venusberg, zum Kalk- und Marmorwerk Unterherold und in Herold. Auf den letzten 20 Seiten wird Thum erreicht – Aufnahmen vom Bahnhof des Erzgebirgsstädtchens sind aber den folgenden Bänden vorbehalten.
Gewohnt gut ist die Qualität der Fotos, wobei einige Bilder etwas Nacharbeit verdient hätten. Gerade bei Motiven mit Schnee kann ein nachträglicher Weißabgleich das Ergebnis deutlich verbessern. Aber vermutlich gehört das Belassen der ursprünglichen Farbanmutung zum Konzept, auch wenn sie sichtbar falsch ist.
Deutlicher Anlass zur Kritik besteht an den Bildtexten: Nach wenigen Seiten läuft der Bild-Text-Zusammenhang völlig aus dem Ruder, weil hier Geschichten erzählt werden, für die eigentlich kein Platz ist. So kommt es, dass die Texte sich auf Fotos von zwei bis drei Seiten zuvor beziehen – durch ständiges Zurückblättern zum beschriebenen Bild leidet der Genuss des Werkes erheblich! Da hilft es auch nicht, dass in diesem Band zu den Fotos die – sofern vorhanden – genauen Aufnahmedaten und oft auch Namen der Bildautoren angegeben werden. Belanglosigkeiten, Mutmaßungen und einige Fehler trüben den Eindruck des Buches.
Fazit: Dieses Buch macht es einem schwer. Einerseits enthält es – wie seine mittlerweile 16 Vorgänger – großartige unwiederbringliche Fotos in hoher Qualität und mit einem sehr großen „Motive pro Kilometer“-Quotienten. Auf der anderen Seite ist die völlige Auflösung der Bild-Text-Relation eine Zumutung. Auch wenn der Fokus bei den meisten potenziellen Käufern sicher auf den Fotos liegt, ist dies das Schmalspur-Album mit dem größten Wermutstropfen bisher.
20.04.2022