Schmalspurbahn-Geschichte
Zur Situation der Schmalspurbahnen im Harz 1987
Auf der Basis der zentralen Maßnahmenpläne der Deutschen Reichsbahn (DR) zur Entwicklung der Schmalspurbahnen (siehe u. a. PK 174) hatten die zuständigen Reichsbahndirektionen (Rbd) eigene Pläne aufzustellen und regelmäßig zu berichten. Ein solcher Bericht des Präsidenten der Rbd Magdeburg, Reichsbahn-Oberdirektor Hermann Lösch, an den Staatssekretär im Ministerium für Verkehrswesen der DDR und Ersten Stellvertreter des Generaldirektors der DR, Dr.-Ing. Heinz Schmidt, vom 19. November 1987 liegt dem Verfasser als Durchschlag vor. (Solche Berichte wurden damals noch mit Schreibmaschine und Durchschlägen geschrieben.) Natürlich hatte der Präsident diesen Bericht nicht selbst verfasst, er wurde in der Abteilung Wissenschaft und Technik im Bereich des Vizepräsidenten für Technik und Prozessautomatisierung erarbeitet. Der Bericht, der für damalige Zeiten sehr deutlich bestehende Probleme anspricht, umfasst insgesamt elf Seiten und soll daher hier nur auszugsweise zitiert und kommentiert werden. In die Zitate sind Anmerkungen und Kommentare ohne Kursivstellung eingefügt.
Nach einigen Vorbemerkungen wurde eine Einschätzung des aktuellen Sachstandes gegeben:
1. Sachstand
Die allgemeine Situation für die Betriebsführung im Harzer Schmalspurnetz hat sich weitestgehend verschärft. Wie schon in den Berichten des Vorjahres angegeben, besteht ein erheblicher Mangel an Arbeitskräften vor allen im südlichen Teilnetz mit dem Schwerpunkt Nordhausen. Dieser konnte auch nicht durch geplante Rationalisierungsmaßnahmen (Einsatz von Rückfallweichen) (und damit Entfall der Notwendigkeit zur betrieblichen Besetzung der Bahnhöfe) kompensiert werden. Der Raum Nordhausen ist insofern neuralgischer Punkt für die Absicherung der Transportleistungen im südlichen Teilnetz in Verbindung mit der konzipierten Aufgabe des Umladebetriebes in Gernrode (In Gernrode wurden die Güter für Mägdesprung und Harzgerode von Regelspurwagen in Schmalspurwagen umgeladen, ein Rollwagenverkehr nach Mägdesprung und Harzgerode sollte über Nordhausen Nord ermöglicht werden) sowohl bezüglich der Aufstockung des AK-Potentials (AK = Arbeitskräfte) als auch bezüglich der hier zu realisierenden baulichen Maßnahmen (Rekonstruktion des Spurwechselbahnhofs Nordhausen Nord einschl. Bau eines elektrisch-mechanischen Stellwerks), weil hier einerseits die Belange des Schmalspurbereichs der Rbd Magdeburg zugeordnet sind, der Dienstort Nordhausen jedoch insgesamt zur Rbd Erfurt gehört und andererseits die vorliegenden baulichen Leistung- und AK-Anforderungen an die Territorialorgane des Bezirkes Erfurt gestellt werden, während die Transportleistungsanforderungen weitestgehend aus dem Territorialbezirk Halle kommen. Trotzdem möchte ich die Zusammenarbeit mit den Territorialorganen als gut bewerten. (Wenn die Zusammenarbeit mit „gut“ bewertet wird, dürfte das nach heutigen Gesichtspunkten bedeuten, dass diese eher nicht zufriedenstellend war.)
Die ständigen terminlichen Verschiebungen bezüglich der konzipierten baulichen Maßnahmen (Bf Nordhausen Nord, Bf Harzgerode) (In Harzgerode sollte ein Gleis mit Ladestraße für das Be- und Entladen von Regelspurwagen auf Rollwagen gebaut werden) wegen fehlender Baukapazität (Tiefbau), bezüglich der Umrüstung des Bremssystems der Rollwagen (von Hardy-Saug- auf KE-Druckluftbremse) und dem noch ausstehenden Neubaus von Rollwagen, der Terminverzug bei der Umrüstung der BR 110 zu einem Schmalspurfahrzeug in Verbindung mit einem unvertretbar hohen Instandhaltungsaufwand des vorhandenen Tfz-Parks und den daraus resultierenden Tfz-Fehlbestand im betriebsfähigen Tfz-Park sowie die bei weitem unter Bedarf erfolgten Lieferungen mit Schienen S 33 und anderen Oberbaumaterialien und einer daraus resultierenden hohen Instabilität des Oberbauzustandes haben Bedingungen für den Betriebsablauf geschaffen, die die Abdeckung der Anforderungen des Reise- und Güterverkehrs weiter einschränken. (…)
Die außerplanmäßig hohen Standzeiten im Raw und „Warten Raw“ bei der Instandhaltung der Tfz der BR 99.72 (z. Z. sind von 18 Tfz der BR 99.72 nur 10! betriebsfähig) führen zwangsläufig bei einem technologischen Bedarf von 13 Tfz dieser Baureihe zu Tfz-Mangel, der ebenfalls wegen der planmäßig gelaufenen Rekonstruktion der Reisezugwagen mit Umrüstung des Bremssystems auf Druckluftbremse auch nicht mehr teilweise durch die z.Z. noch betriebsfähigen Tfz der BR 99.59 (Mallet-Lok) (Diese verfügten weiterhin über Saugluftbremse) ausgeglichen werden kann.“
Unter Ziffer 1.1 wurde auf die Arbeitskräftesituation eingegangen. Im Bereich Maschinenwirtschaft fehlten 23 Arbeitskräfte (entsprach zehn Prozent), im Bereich Wagenwirtschaft 16 Arbeitskräfte (entsprach 36 %) und im Bereich Bahnanlagen 54 Arbeitskräfte (entsprach 25 %). Besonders gravierend war das Problem im Bereich des Betriebs- und Verkehrsdienstes, wo 98,6 Arbeitskräfte fehlten (entsprach 31 %). Der Schwerpunkt war der Bahnhof Nordhausen Nord mit einem Minus von 46,7 Arbeitskräften (entsprach 48 %). Hinsichtlich der Arbeitsaufgaben fehlten vor allem Zugbegleiter und Rangierpersonal. Eine Besserung war nicht in Sicht – alle fünf Lehrstellen in Nordhausen Nord blieben auch für 1988 unbesetzt. Bis zum 30. September 1987 waren im Schmalspurbereich insgesamt 23 000 Überstunden angefallen (die Spanne lag von 62 bis 307 Stunden pro Person).
Weiter wurde auf die betriebliche Lage eingegangen:
1.2. Allgemeines zur betrieblichen Lage
Nach wie vor ist die Aufnahmefähigkeit des Spurwechselbahnhofs Nordhausen Nord durch unkontinuierlichen Frachtzulauf für Hasselfelde und Silberhütte überfordert. Teilweise auch durch Lokausfälle verstärkt, kam es immer wieder zum Rückstau nicht abbeförderter Wagen. Die Anschlußbahnen (Schmalspur) in Nordhausen und Ilfeld binden zusätzlich Kapazitäten und wirken ungünstig auf den Wagenumlauf. (…)
Nicht immer konnte die erforderliche Kapazität für Hasselfelde/Silberhütte ausgefahren werden. Ausfälle für Silberhütte in der Zufahrt bedeuten Ausfälle für den Anschluß Rinkemühle in der Abfahrt. Belastend wirken nach wie vor immer noch überladen eingehende Kohlewagen der Versandbahnhöfe Zwenkau, Braunsbedra, Bitterfeld und Borna, die bis zur Umverfügung die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs Nordhausen Nord zusätzlich mindern. (Die entladenen Kohlewagen für das Heizkraftwerk Silberhütte wurden durch die Holzwerke Rinkemühle wieder beladen, wegen der Achslast durften die Kohlewagen nicht voll beladen werden).
Durch den planmäßigen Zugang der rekonstruierten auf Druckluftbremssystem umgerüsteten Reisezugwagen hat sich das Sitzplatzangebot stabilisiert. Im Bereich der ehemaligen Selketalbahn fahren 2 Umläufe druckluftgebremst; ein Umlauf saugluftgebremst, um
- die vorhandenen Mallet-Loks (BR 99.59) noch zu nutzen,
- die Bahnhöfe Mägdesprung und Harzgerode mit Schmalspurgüterwagen (Gmp/Pmg) zu bedienen.
Die Fahrplangestaltung unterliegt den zum Negativen hin veränderten betrieblichen Bedingungen, ausgelöst vor allem durch den instabilen Oberbauzustand. Wie bereits angedeutet, ist es nicht nur nicht gelungen, den La-Stellen freien Zustand herzustellen, sondern die Anmeldung für den AzFV (Anhang zu den Fahrdienstvorschriften) 1988/89 durch die Verwaltung Bahnanlagen zeigt folgendes Bild:
- Str. 204: 14 La-Stellen mit 9,0 km
- Str. 205: 2 La-Stellen mit 4,1 km
- Schiercke – Brocken km 15,8 – 18,9 Sperrung
- Str. 206: 2 La-Stellen mit 1,4 km
- Str. 207: 6 La-Stellen mit 4,55 km
(Zu den Strecken-Nummern siehe weiter unten, Schierke ist im zitierten Text tatsächlich immer falsch mit „ck“ geschrieben.)
Die durch diese insgesamt 19,050 km mit nur v = 10 km/h entstehenden Fahrzeitverluste sind in das Fahrplangefüge einzuarbeiten und bedeuten allein auf der Strecke Nordhausen – Wernigerode 36 Min. Fahrzeitverlängerung. Da auch auf den Zulaufstrecken La-Stellen bedingte Fahrzeitverlängerungen auftreten (z. B. Heudeber-Danstedt – Ilsenburg 26 Min.) sind anschlußgerechte Übergänge kaum möglich und Tagesaufenthalte im Harz für Anreisende aus dem Umland nicht mehr realisierbar.“
Hat man den Bericht bis hierher gelesen, kann man den Eindruck gewinnen, dass es bemerkenswert war, dass überhaupt noch Reise- und Güterverkehr abgewickelt werden konnte. Doch letztlich ist es eigentlich nur ein Schlaglicht auf die Situation zur Endzeit der DDR.
Gleisstopfmaschine offenbart weitere Defizite
Der Abschnitt 2 des Berichtes stand unter der Überschrift „Stabilisierung der Leistungsfähigkeit“. Unter Ziffer 2.1. wurde zunächst ausgeführt, dass die Einführung eines 24-Stunden-Betriebes in Nordhausen Nord unter den gegebenen Bedingungen unmöglich war. Es fehlten schlichtweg die Arbeitskräfte sowohl im Bereich des Betriebs- und Verkehrsdienstes als auch in der Maschinenwirtschaft. Genauso unbefriedigend war unter Ziffer 2.2. die Situation zur Rekonstruktion des Spurwechselbahnhofs Nordhausen Nord einschließlich des Errichtens eines elektro-mechanischen Stellwerks. Es wurde auf einen Baubeginn im Jahr 1991 orientiert. Auf Grund des Rückgangs des Gütertransportes war der Umbau des Bahnhofs nicht mehr erforderlich, die Stellwerkstechnik wurde erst durch die HSB im Zusammenhang mit dem Umbau der Bahnübergangssicherungsanlage Bochumer Straße und der damit erfolgten Auflassung des Wärterstellwerkes Nordhausen Altentor 1996 angepasst.
Wichtig für das Gewinnen von Arbeitskräften war der Einbau von Rückfallweichen, da dann die betriebliche Besetzung des entsprechenden Bahnhofs entfallen konnte. Hierzu wurde berichtet:
2.3. Einsatz von Rückfallweichen
(…) Durch die Definition Rückfallweiche mit elektrischer Weichenheizung und den Effekten der AK-Freisetzung als Robotereinsatzfall hat sich die materielle Sicherung bezüglich Kabelbereitstellung etwas günstiger gestaltet. (Robotereinsätze waren in der DDR ein Aspekt der Pläne sowie des sozialistischen Wettbewerbs und viele Roboter ließen die DDR modern erscheinen – deshalb wurde die Definition sehr großzügig ausgelegt) (…)
1987 konnten die Rückfallweichen der Bahnhöfe Straßberg und Silberhütte in Betrieb gehen (Das brachte aber keine Freisetzung von Arbeitskräften, da diese Bahnhöfe bereits betrieblich nicht mehr besetzt waren), die Ausrüstung der Bahnhöfe Mägdesprung und Wernigerode-Hasserode ist so weit angearbeitet, daß bei günstiger Witterung eine Inbetriebnahme noch 1987 möglich erscheint, wenn es dem Iw SFP Güsten (Iw SFP – Instandhaltungswerk für Sicherungs-, Fernmelde- und Prozessautomatisierungstechnik) gelingt, die zur Ausrüstung gehörenden Gleissperrenschlösser zu beschaffen.
Auf diesen „Materialengpaß“ – nicht nur im Zusammenhang mit Rückfallweichen – möchte ich hinweisen. (Die Dienststelle Iw SFP meldet bei Bestellung 1987: 100 Stück, Lieferung: 0!) (…)“ Es ist schon fast überflüssig, darauf hinzuweisen, dass dies im Jahr 1987 nicht gelang.
Im Abschnitt 2.4. Gesundung des Oberbaus wurde u. a. berichtet: „Die Gleisstopfmaschine GSM 79 ist voll für Stopfarbeiten im Schmalspurnetz eingesetzt und bewährt sich. Ihr Einsatz ist in hohem Maße von der Gewährung von Sperrpausen abhängig.
Durch den Einsatz des Gleismeßfahrzeuges GMF 79 (während der Erprobung 1986 wurden alle Strecken – außer Gernrode – Alexisbad und Schiercke – Brocken) vermessen und in Kombination mit der GSM 79 erste Mängelbeseitigung durchgeführt. Damit stehen Meßergebnisse aus Quer- und Längshöhenmessung, Messung der Spurweite und von Richtungsfehlern als konkrete Unterlage für eine zielgerichtete Mängelbeseitigung und Planung der Bauvorhaben zur Verfügung. Es wurde zum Erhalt der Betriebssicherheit eine Reihe von Sofortmaßnahmen ausgelöst und gleichfalls auf Grund der exakten Ergebnisse diese umfangreiche La-Stellen-Anmeldung 1988/89 erforderlich. (Das sagt, eigentlich war der Oberbauzustand auch vorher schon schlecht, es wurde nur nicht so exakt gemessen.)
Bis 1990 sind ca. 54,0 km Schienenumbau und 19,0 km Gleisumbau erforderlich, die nach derzeitigem Stand nur zu 65 % abgedeckt sind.“
Es wurden dann noch alle aktuellen La-Stellen (alle mit 10 km/h) aufgezählt. Summarisch ergab sich folgendes Bild:
- Strecke 204 Nordhausen Nord – Wernigerode 2,4 km
- Strecke 205 Drei Annen Hohne – Brocken 4,8 km
- Strecke 206 Stiege – Eisfelder Talmühle0,8 km
- Strecke 207 Gernrode (Harz) – Hasselfelde0,4 km
- Strecke 208 Alexisbad – Harzgerode0,3 km
Ein Endlosthema war auch der Neubau des Lokschuppens der Einsatzstelle Wernigerode. Dessen Nutzung war bereits seit 4. Februar 1982 aus bautechnischen Gründen untersagt, der Schuppen inzwischen abgerissen. Zum Neubau wurde berichtet:
2.5. Lokschuppen Wernigerode
Entsprechend Ihrer Weisung vom 17.07.86 sollte das Vorhaben „Wiederaufbau des Lokschuppens Wernigerode“ als Generalreparatur durchgeführt werden. Das Projekt wurde 1984 erarbeitet und 1986 überarbeitet auf der Grundlage des vorläufigen Sonderprofils für die BR 199 (110-S). Seit 15.07.87 liegen nun die endgültigen „Anwendungsrichtlinien für den lichten Raum, Gleisabstände und Abstandsmaße beim Einsatz der Dieseltriebfahrzeuge der BR 199 (umgebaut aus BR 110) im Harzer Schmalspurnetz vor, auf deren Grundlage 1988 nochmalige Überarbeitung erfolgen muß.
Für 1988 konnte keine materielle Sicherung des Vorhabens beim Rat des Kreises Wernigerode erreicht werden. (Bauvorhaben wurden in der DDR staatlich durch die Kreise bilanziert und konnten nicht frei am Markt vergeben werden.) Die Problematik wurde letztmalig mit Schreiben 1332-11 meines Vizepräsidenten TF (Transportorganisation und Fahrzeuge) vom 14.09.87 an den Gen. Maeding (Stellvertreter des Generaldirektors der DR B – Betrieb) herangetragen. Der Lokschuppen mit installierter Hubtechnik und Vierschienengleis ist Voraussetzung für den Drehgestelltausch von Normalspur-Transportdrehgestellen auf Schmalspurdrehgestelle bzw. umgekehrt und damit für den Einsatz der BR 199 (110-S). Die ersten 2 Baumuster sind nunmehr für 1988 angekündigt. Die Hubtechnik ist gleichfalls für 1988 zugesagt. Eine provisorische vorläufige Aufstellung im Freien ist wegen konstruktiver Gestaltung und Schutzgrad der E-Technik nicht möglich. Damit ist eine zeitgerechte Erprobung der dringend benötigten Dieseltriebfahrzeuge in Frage gestellt!“ (Der Lokschuppen wurde dann erst 1992 fertiggestellt und für den Wechsel der Drehgestelle der umgebauten Dieselloks der BR 199.8 ab 1988 eine provisorische Lösung im Freien gefunden. Die Dieselloks wurden vom Raw Stendal, welches den Umbau aus der BR 110 ausführte, nach Wernigerode auf regelspurigen Drehgestellen gefahren.)
Der Abschnitt 2.7. des Berichtes befasste sich mit der Situation der Triebfahrzeuge und der Abschnitt 2.8. mit der Wagenwirtschaft. Zu den Triebfahrzeugen wurden über die schon am Anfang gegebenen grundsätzlichen Ausführungen keine neuen Aussagen getroffen. Bei den Wagen wurde die Umrüstung auf das Druckluftbremssystem positiv eingeschätzt, es fehlten hierfür aber eben die einsatzbereiten Triebfahrzeuge. Zu den Rollwagen wurde darauf hingewiesen, dass der erreichte Stand von 51 druckluftgebremsten Rollwagen noch nicht ausreichend sei und es wurde die „kontinuierliche Weiterführung der Umrüstung“ als „dringend erforderlich“ angesehen.
Bedarf an neuen Zugführerwagen
Im Abschnitt 3 des Berichtes wurde auf den Umsetzungsstand der Maßnahmen aus dem zentralen Plan für alle Schmalspurbahnen eingegangen. Dabei wurde zunächst zur Profilfreiheit für die Dieselloks der BR 199.8 berichtet. Bis auf die Strecke Gernrode (Harz) – Alexisbad, die Lokschuppen in Benneckenstein, Gernrode (Harz) und Hasselfelde sowie einige Rampen wurden hier keine Probleme gesehen. Betont wurde nochmals die „Notwendigkeit eines termingerechten Ablaufes der Serienproduktion und damit der Auslieferung“. Für den geplanten Einsatz seien die Personale bereits geschult, die Tankanlagen in Wernigerode Westerntor (Spurwechselbahnhof) fertiggestellt bzw. in Nordhausen Nord und Gernrode (Harz) in Planung. Der Bau des Kreuzungsbahnhofs Netzkater wurde noch nicht als erforderlich angesehen. Zur Entwicklung und zum Einsatz einer teilautomatisierten Kupplung sowie eines Spurwechselrobotersystems konnte nichts Neues berichtet werden. Lediglich auf eine in Magdeburg vorliegende Diplom-Arbeit über „die Möglichkeit des Aufrollens der Normalspurwagen mittels einer Rollbahn“ wurde hingewiesen.
Interessant sind noch die Aussagen zu den Wagen: „Der derzeitige Bestand an Reisezugwagen ist befriedigend. Für den Perspektivzeitraum ist ein Neuzugang erforderlich. Dringender Bedarf besteht an Packwagen zum Einsatz im Güterzugdienst. Welche Möglichkeiten der Abdeckung bestehen, wenn auf den für 1988 geplanten Umbau der 5 OO-Wagen und 6 Gw-Wagen verzichtet werden muß, bedarf einer eingehenden Überprüfung. Fest steht, daß 1988 die Bedienung von Harzgerode noch nicht mittels Rollwagen von Nordhausen Nord erfolgen kann, folglich die Sm-Güterwagen noch in Gernrode gebraucht werden. Gleichfalls kann aus bekannten Gründen (Rollwagenbedarf) auch der Rollbockverkehr noch nicht vollständig aufgegeben werden, so daß sich die Rekonstruktion der dafür erforderlichen Ord-Wagen (Bremswagen) erforderlich macht. (Der Rollbockverkehr endete mangels Transportaufkommen 1990, eine Rekonstruktion der Ord-Wagen erfolgte nicht mehr.)
Für die Reisezugwagen ist die Beschaffung neuer Drehgestelle erforderlich (ab 1990). Damit im Zusammenhang ist die Problematik „Beleuchtung der Rz-Wagen“ zu klären.
Die Beschaffung von 33 Neubaurollwagen ist dringend erforderlich, um die Transportleistungen abdecken zu können. Der vorhandene Rollwagenpark genügt anzahlmäßig und vom Erhaltungszustand her nicht den Anforderungen.“ (gemeint sind die zw. 1959 und 1964 gebauten Rf4)
Kapazitätsmängel in allen Bereichen
Im Anschluss wurden im Abschnitt 4. Maßnahmen, die in nächster Zeit umgesetzt werden sollten, vorgestellt. Unter 4.1. waren zunächst Maßnahmen der Rbd aufgeführt, die diese eigenverantwortlich umsetzen wollte. Das betraf:
a) Zu Ziffer 2.1 (Verlängerung der Betriebszeit)
- Inbetriebnahme der Rückfallweichen auf Bf Wernigerode-Hasserode und Bf Mägdesprung 1987 (Rbd, Verw. A) (A = Anlagen)
- Ausrüstung der Bahnhöfe mit Rückfallweichen 1988 Drei Annen Hohne, Ilfeld, Eisfelder Talmühle, Elend, Alexisbad (Rbd, Verw. A; HA El/Inv) (HA El/Inv – Hauptabteilung Elektrifizierung und Investitionen, der vorgesehene Termin konnte nicht eingehalten werden, heute haben diese Bahnhöfe aber alle Rückfallweichen, als letzter wurde Alexisbad 2004 durch die HSB ausgerüstet.)
b) Zu Ziffer 2.2 (Rekonstruktion Nordhausen Nord)
- Gewinnung von Ausführungsbetrieben für die Bauphasen 2 – 4 (Rbd, HA El/Inv)
- Sicherung der rechtzeitigen Projektierung (Rbd, HA El/Inv)
- Durchsetzung der Projektierung für das Stellwerk beim EVDR, Ast Magdeburg (Rbd, HA El/Inv) (EVDR – Entwurfs- und Vermessungsbetrieb der DR, sinnigerweise wurden hier keine Termine genannt. Durch den Rückgang des Güterverkehrs ab 1990 hatte sich das Ursprungsprojekt dann auch von selbst erledigt.)
c) Zu Ziffer 2.4 (Gesundung des Oberbaus)
- Beseitigung der La-Stellen nach konzipiertem Arbeitsplan und Absicherung der Gleispflegearbeiten (Rbd, Verw. A) (Auch hier wurde kein Termin genannt, bis zur Übernahme durch die HSB 1993 konnten nicht alle La-Stellen beseitigt werden, die letzte La-Stelle zwischen Alexisbad und Silberhütte (Anh) wurde durch die HSB 2018 beseitigt.)
- Koordinierter Einsatz GMF 79 und GSM 79 zur Erhaltung eines betriebssicheren Zustandes (Rbd, Verw. A)
- Bereitstellung der mobilen Funktechnik ab I/88 (Rbd Verw. SFP) (Hier ging es um die Ausrüstung der Baustellen auf der Strecke, um die Verbindung zu den Zugleitern herstellen zu können, Streckenfernsprechleitungen gab es auf den meisten Strecken schon nicht mehr.)
d) Zu Ziffer 2.5 (Lokschuppen Wernigerode)
- Sicherstellung der Bauleistung durch Beauflagung durch den Rat des Kreises Wernigerode (Rbd, HA El/Inv) (Die Räte der Kreise konnten Baubetriebe mittels Beauflagung dazu zwingen, bestimmte Bauvorhaben durchzuführen, auch wenn dies von den Betrieben nicht geplant oder gewollt war.)
e) Zu Ziffer 2.6 (Beleuchtungsanlagen) Realisierung im Rahmen von Reparaturleistungen (Rbd, Verw. M) bzw. Investitionsleistung (Bf Stiege) (Rbd, HA El/Inv) (M – Maschinenwirtschaft. Hier ging es um Beleuchtungsanlagen für Ladestraßen und die Durchführung eines Betriebes rund um die Uhr.)
f) Packwagen für Rollwagenverkehr Bereitstellung von Packwagen bei Abstimmung des Umrüstungsprogramms mit noch bestehenden Güterwagenbedarf (Rbd Verw. W) (W – Wagenwirtschaft)
g) Zu Ziffer 3.1 (Profilfreiheit für Diesellok 199) Die Profilfreiheit ist bis zum Zugang der ersten beiden Erprobungsfahrzeuge IV/88 zu sichern (Rbd, Verw. A) (Das ist tatsächlich gelungen, als die ersten Dieselloks der BR 199.8 zur Verfügung standen, konnten Probefahrten auf dem Gesamtnetz [außer Brocken wegen Sperrung auf Grund von Oberbaumängeln] durchgeführt werden.)
Selbst Hilfe von Eisenbahnfreunden eingeplant
Unter 4.2. folgten „Maßnahmen, die auf zentraler Ebene ausgelöst bzw. mit Nachdruck betrieben werden müssen – Entscheidungsvorschläge“, das sind also die Themen, bei denen der Berichtsempfänger für die Umsetzung sorgen sollte. Daraus wird auch deutlich, welche Probleme für die Reichsbahndirektion Magdeburg nicht selbst lösbar waren.
„a) Zu Ziffer 2.2 (Rekonstruktion Nordhausen Nord)
- Bilanzierung der Projektierungsleistungen für die Bauphasen 2 bis 4.
- Sicherung der Projektierungsleistungen für das elektro-mechanische Stellwerk Nordhausen Nord (evtl. durch EVDR-Zentrale).
- Einordnung des elektro-mechanischen Stellwerkes in den Investitionsplan koordiniert mit dem Bauablauf Rekonstruktion Spurwechselbahnhof.
- Sicherung der Fertigung des elektro-mechanischen Hebelwerkes durch das WSFP Berlin (WSFP – Werk für Sicherungs-, Fernmelde- und Prozessautomatisierungstechnik)
- Bestätigung der Aufgabenstellung noch 1987 durch Inv DR.
b) Zu Ziffer 2.4 (Gesundung des Oberaus)
- 100 %-ige materielle Absicherung der notwendigen Gleiserneuerungsarbeiten (Schienen S 33, Stahlschwellen u. a.)
- Beschaffung von Ladetechnik
- Beschaffung von 5 Skl mit Ladehilfe
- Beschaffung von Kleinstopfmaschinen (FEW), Schwellenwechselgerät CSD, Schotterräumgerät, Gleisrichtmaschine, RDK zum Verlegen von 15-m-Jochen, Schotterwagen Fcs für 1000-mm-Spur, Fahrlader T 174, Kleinbus „Robur“, Schienenbiegegeräte, Kettensägen sowie Rollwagen für Schienen-, Schwellen- und Kleineisentransport.
- Bereitstellung zusätzlicher Arbeitskräfte durch Studentensommer, Einsatz von Modelleisenbahnfreunden und Schülereinsätze.
c) Zu Ziffer 2.5 (Lokschuppen Wernigerode)
- Bereitstellung von Investitionsmitteln und Bilanzanteilen für den Kreis Wernigerode (zweckgebunden) und Einordnung in den Inv.-Plan 1989.
d) Zu Ziffer 2.7.2 (Instandhaltung Dampflok) Der hohe Instandhaltungsstand (daraus resultierend akuter Lokmangel) erfordert Sofortmaßnahmen. Der Instandhaltungsstand ist zu normalisieren.
e) Zu Ziffer 2.8.2 (Bremsumrüstung Rollwagen) Beauflagung des Raw Gölitz zur beschleunigten Umrüstung der Rollwagen
- 1988 mindestens 16 Rw
- 1989 Rest (max. 11).
f) Zu Ziffer 3.5.1 (Beschaffung Diesellok)
- Zeitpunkt Lieferung der 2 Erprobungslok und Ablauf der Serienfertigung sind unbedingt einzuhalten.
- Probelok IV 1988
- Beginn der Serienfertigung ab Oktober 1989 mit Fertigung monatlich 1 Tfz.
g) Zu Ziffer 3.5.2 (Hubtechnik) Die Lieferung des Pratzenhebewerkes (Fertigung Raw Cottbus) ist für II/1988 unbedingt sicherzustellen.
h) Zu Ziffer 3.6 (Roboterspurwechselsystem) Entscheidungsfindung steht noch aus (siehe Vor jahr)
i) Zu Ziffer 3.7 (Beschaffung von Rollwagen) Die Produktion von Neubau-Rollwagen ist zum nächstmöglichen Termin bei der Rbd Aw durchzusetzen.
j) Zu Ziffer 3.7.1 (Kupplung BK 63) Durch die Hv W ist über die weitere Verfahrensweise bezüglich Erprobung und Einsatz der teilautomatisierten Rollwagenkupplung zu entscheiden.“ Gezeichnet ist das Schreiben „mit sozialistischem Gruß“, auch auf dem Durchschlag mit Originalunterschrift von Reichsbahn-Oberdirektor Lösch.
Fazit
Wenn man aus heutiger Sicht allein im letzten Abschnitt liest, welche Themen für die Rbd allein nicht mehr lösbar waren und weiß, dass auch die meisten dieser Fragen für die Generaldirektion nicht mehr zu lösen waren, wird klar, dass ein dauerhafter Betrieb der Schmalspurbahnen im Harz für die nächsten Jahre in der DDR nicht mehr gesichert war. Daher kam die politische Wende in der DDR für die Schmalspurbahnen im Harz gerade noch rechtzeitig, um einen mittel- und langfristigen Weiterbetrieb zu ermöglichen.
(Der Autor war von 1992 bis 2020 als Betriebsleiter der HSB tätig)
14.12.2020