Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
Dampflok 99 6102 nun Exponat in Gernrode
Mehr als zehn Jahre war die Dampflokomotive 99 6102 aus dem Blickfeld vieler Eisenbahnfreunde verschwunden. In dieser Zeit fristete sie zunächst im Dampflokwerk Meiningen und anschließend in Benndorf ein ungewisses Dasein. Es gab wenige offizielle Anlässe, um etwas über den Zustand des C-Kupplers in Erfahrung zu bringen. Alles Besichtigen brachte am Ende jedoch nie Klarheit über die Zukunft dieses 1914 gebauten Triebfahrzeuges. Doch plötzlich kam alles ganz schnell und unerwartet: Ende Oktober 2019 erreichte den Freundeskreis Selketalbahn e. V. die erste Nachricht von der bevorstehenden Rückkehr der Lokomotive aus Benndorf in den Harz. Per Vereinsinfo erfolgte daraufhin der Aufruf zur Beräumung der ehemaligen Wagenwerkstatt in Gernrode als neue Unterkunft für die Maschine. Schon eine Woche vor dem ersten Arbeitseinsatz am 9. November 2019 waren einige eifrige Vereinsfreunde im Schuppen am Werk. Für den Arbeitseinsatz selbst wurde ein Grobmüllcontainer bestellt und durch die Hilfe zahlreicher Mitglieder kam die Räumaktion gleich am ersten Tag zum Abschluss.
Drei Tage später besichtigten Vereinsmitglieder bei einem Kurzbesuch in der MaLoWa Bahnwerkstatt GmbH in Benndorf die schon auf den Transport vorbereitete Lokomotive. Am folgenden 13. November 2019 brachte die PRESS die Maschine mit einem Straßentieflader zunächst nach Wernigerode, da sich in Gernrode aufgrund der „Novemberpause“ bis Ende des Monats kein betriebsfähiges Triebfahrzeug befand. Letztendlich weilte die von den Mitgliedern des Freundeskreises Selketalbahn auch „Fiffi“ genannte Dampflok bis zum 27. November auf dem Gelände der HSB-Werkstatt in Wernigerode Westerntor. Am Morgen dieses Tages schob die Kleinlok 199 012-6 die nicht betriebsfähige Maschine auf den Tieflader der PRESS. Gegen 10 Uhr begann ihr Transport nach Gernrode – ohne Schornstein. Ein weiterer Lkw der PRESS mit Ladekran brachte die mobile Gleisrampe für das Abladen der Lok zum Betriebsmittelpunkt der Selketalbahn, die HSB lieferten mit einem Lkw den Schornstein nach. Im Bereich des Umladebahnhofes bauten indes je zwei Mitarbeiter der PRESS und der HSB die Gleisrampe zum Abladen des C-Kupplers auf. Nach zwei Stunden stand „Fiffi“ wieder auf einem Gernröder Gleis. Dort setzten die Kollegen der PRESS dann noch den Schornstein auf.
Da auf der Selketalbahn am 27. noch „Novemberruhe“ herrschte, blieb die Dampflok anschließend drei Tage an Ort und Stelle im Freien stehen. Am 30. November kam dann wieder Bewegung auf die ehemaligen GHE-Gleise. Neben dem einzigen Triebwagen, der für den Winterbetrieb in Gernrode stationiert ist, traf die Lok 99 7232-4 am Vormittag am historischen Ausgangspunkt der Selketalbahn ein. Sie schob die 99 6102 zunächst vor das Vereinsheim des Freundeskreises. Dann nahm die Babelsberger Neubaulok Kohle, ehe sie wieder mit „Fiffi“ gekuppelt wurde. Feuchtes Laub auf dem Gleis vor der ehemaligen Wagenwerkstatt machte die Rangierfahrt in den Schuppen fast unmöglich. Nur mit einer Portion Sand aus ihren Strahlrohren schaffte es die 7232. Etwa 12.40 Uhr stand die Lok 99 6102 schließlich in der aufgeräumten Wagenwerkstatt. Da sie mit der Rauchkammer in Richtung Schuppentor steht, wird sie bald Besucher zur Besichtigung einladen. Die Museumssaison für den Freundeskreis Selketalbahn e. V. beginnt wie gewohnt im April. Dann kann die nicht betriebsfähige Dampflok bis Ende Oktober jeden Samstag zwischen 10 und 16 Uhr in Augenschein genommen werden.
Eine betriebsfähige Aufarbeitung der Lok, wie sie der Freundeskreis Selketalbahn e. V. in den Jahren 1996/97 geleistet hatte, ist aufgrund der heutigen technischen und finanziellen Rahmenbedingungen für den Verein nicht möglich. Da auch die HSB für den in ihrem Eigentum befindlichen C-Kuppler keine Einsatzpläne haben, wird der im April 2008 abgestellte „Fiffi“ in den nächsten Jahren in Gernrode als Ausstellungsstück dienen. Die bisher letzte Hauptuntersuchung hatte die 99 6102 im November 2002 in Benndorf erhalten. In den nächsten Jahren verschlechterte sich ihr Kesselzustand, trotzdem erhielt der Dampferzeuger im April 2007 nochmals eine Einsatzverlängerung um ein Jahr. Danach ließen die HSB die Maschine am 28. Mai 2008 ins Dampflokwerk Meiningen bringen, um den technischen und finanziellen Aufwand für eine erneute Aufarbeitung ermitteln zu lassen. Dazu wurde die Lokomotive zunächst demontiert. Anschließend erklärten die Meininger den Kessel als nicht mehr aufarbeitungswürdig und orientierten auf einen Neubau, wie es sich in den Jahren zuvor bereits angekündigt hatte. Doch die HSB hatten in ihrem Haushaltsplan weder einen Kesselneubau noch andere nennenswerte Reparaturkosten eingeplant, woraufhin der C-Kuppler ab 2008 mehrere Jahre demontiert im Dampflok Meiningen stand. Mitte 2015 kamen die Hauptbaugruppen der Maschine in die MaLoWa Bahnwerkstatt nach Benndorf. Dort sollte die Lok komplettiert und rollfähig hergerichtet werden. Aus verschiedenen Gründen zog sich das bis ins Jahr 2019 hin, wobei die 99 6102 bis heute nicht vollständig montiert und auch nur bedingt verschiebbar ist. Im aktuellen Zustand schied daher eine Überführung der Lokomotive auf dem Netz der HSB aus, weshalb sie die PRESS mit einem Tieflader von Wernigerode nach Gernrode brachte.
10.02.2020