Fahrzeuge im Porträt
Wir waren die „Rucksäcke“
Erinnerungen an die zweiachsigen schmalspurigen Zugführer- und Gepäckwagen der sächsischen Schmalspurbahnen
Von 1886 bis 1908 wurden in den Eigenen Werkstätten der K.Sächs.Sts.E.B. in Chemnitz 68 Zugführer- und Gepäckwagen der Gattungen 752/753 - ab 1896 meist mit Oberlichtaufbau - gefertigt (Gaittung 753 mit zwei Bühnen}. Diese zweiachsigen Fahrzeuge mit abschließbarem Zugführerabteil und Schiebetüren waren auf allen 750- mm-Strecken Sachsens eingesetzt. Zu jedem Zug gehörte ein solches Fahrzeug, welches vorrangig am Schluß der Zuggarnitur, aber auch hinter der Lok zu finden war. Die zweiachsigen Zugführerwagen waren leicht, und für das Personal schnell und bequem zugänglich. Als Nachteil erwies sich im Personenverkehr lediglich der zu geringe Gepäckstauraum, weshalb bei Reisezügen gern ein Güterwagen mitgeführt wurde. Ansonsten konnten im Zugführerwagen sowohl Fahrkarten erworben, Wert- und Geldsachen als auch Post und Dienstsendungen befördert werden. Der Großteil der Fahrzeuge besaß ab Werk ein nach außen öffnendes Hundeabteil.
Die Wagen mit den sächsischen Betriebsnummern 1422K, 1433K bis 1436K sowie 1438K bis 1500K waren stets einsatzbereit, wiesen kaum Mängel auf und waren bei den Personalen sehr beliebt. Als 1910 die ersten vierachsigen Zugführer- und Gepäckwagen (in Dienst gestellt als Gattung PP) auf den sächsischen Kleinspurstrecken zum Einsatz kamen, änderte sich das Personalverhalten. Die neuen Fahrzeuge besaßen eine größere Ladefläche und einen Abortraum. Im geräumigeren Zugführerabteil war die Schreibpulteinrichtung und die Unterbringung des Fahrkartenschrankes ein Gewinn. Die im Vergleich zu den schaukelnden Zweiachsern hohe Laufruhe der Vierachser imponierte den Personalen. Damit verloren die Zweiachser ihre bisherige Vormachtstellung und wurden vorrangig nur noch im Güterverkehr eingesetzt. Nachdem die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen bis 1915 bereits 35 vierachsige Gepäckwagen (Gattung 751) in Dienst gestellt hatte, beschaffte die Deutsche Reichsbahn von 1922 bis 1927 in Werdau weitere 34 baugleiche Wagen. Der Planeinsatz der zweiachsigen Gepäckwagen ging dennoch weiter. Mitte der zwanziger Jahre standen noch 64 „kurze“ Gepäckwagen zur Verfügung. In den folgenden Jahren kamen bei den Personalen Spitznamen für die Fahrzeuge auf.
Während die Vierachser als „Packmeister“ bezeichnet wurden, bekamen die in die Reserve verdrängten Zweiachser den Begriff „Rucksack“ zugesprochen. Sie wurden nun entweder als Aushilfe, bei Arbeitszügen oder als Stückguthilfe eingesetzt. Andere mußten ihre bisherigen Stammstrecken verlassen, um bei den Stichbahnen in der Oberlausitz oder im Mügelner Netz, wo sie während der Zuckerrübensaison noch eine Arbeitsaufgabe erhielten, eine neue Heimat zu finden. 1949 vergab die DR noch 18 zweiachsigen Pwg eine sogenannte 7-Punkt-Nummer; in den fünfziger Jahren erhielten noch 15 eine der neuen „97“-DR-Nummern, doch nur 13 waren noch als Gepäckwagen geführt (die anderen zwei als Bahndienstwagen). Bis 1953 wurden einige von ihnen auf Strecken außerhalb Sachsens abgegeben. So leisteten solche Fahrzeuge in Putbus, Pasewalk, Nauen, Dahme und Perleberg noch viele Jahre gute Dienste.
In Sachsen verblieben nur noch in Mügeln, Lommatzsch, Thum und Eppendorf einige solcher „Rucksäcke“, wo sie bis 1967 als „Notnagel“ Dienst verrichteten. Während danach ein Teil von ihnen an private Eigentümer verkauft wurde, wo die Wagen ohne Fahrwerke als Geräteschuppen oder Ställe Verwendung fanden, rosteten und zerfielen andere bis zur Unkenntlichkeit an der Stätte ihres früheren Wirkens. Einige wenige der inzwischen über 100 Jahre alten Fahrzeuge fanden Idealisten, die dafür sorgten, daß sie bei musealen Einrichtungen (Rittersgrün 97-09-64, Geyer 97-30-04) unterkamen. Andere Fahrzeuge wurden durch den Einsatz von Vereinen wieder reaktiviert, liebevoll restauriert und fahrbereit hergerichtet (Radebeul 97-30-03 als 1439K und Jöhstadt 97-30-06).
Der Autor hat solche „Rucksäcke“ während seiner Dienstzeit in Mügeln und Lommatzsch (1957-1960) selbst kennengelernt und freut sich, wenn er zum Beispiel den wiederaufgebauten „Tonnendächler“ 97-30-06 (ex Lommatzsch) auf den Gleisen der Preßnitztalbahn im Zugeinsatz erleben kann. „Welch’ famose Erinnerung an ihre einstige Hocheinsatzzeit!“
Ergänzung der Redaktion
Für den vor mehreren Jahren bereits aufwendig restaurierten Kasten des ehemals zweiachsigen Gepäckwagens 1441 K (DRG K2049, ex Lagerschuppen in Dresden-Friedrichstadt) läßt die IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V. derzeit in Marienberg zwei Einachs-Drehgestelle anfertigen und mit Achsen versehen. Außerdem ist der Kasten des 1899 gebauten 1495 K in Lohsdorf (Sächsische Schweiz} erhalten. Dieser zuletzt in Pasewalk als 975-105 geführte Zweiachser war Zeit seines Einsatzes ohne Oberlichtaufbau eingesetzt worden.
28.09.2007