Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha (TWSB)
Die vergangenen Wochen waren für die Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH (TWSB) und ihre Freunde sehr turbulent. Dafür sorgten jedoch keinerlei Ereignisse im aktuellen Betrieb oder Verkehr der Straßenbahn, sondern eine Ankündigung des Gothaer Busunternehmers Wolfgang Steinbrück. Nachdem der Kreistag am 20. Juli 2016 den Nahverkehrsplan 2017 bis 2021 für den Landkreis Gotha beschlossen hatte, gab der Busunternehmer am 12. August der Öffentlichkeit bekannt, dass er beim Landesverwaltungsamt Thüringen die Konzession für alle derzeit von der Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH erbrachten Leistungen ab 1. Juli 2017 beantragt habe. Die Konzession für den Linienbetrieb ist bis zu diesem Zeitpunkt neu zu beantragen. Gemäß Kreistagsbeschluss von 2009 ist die TWSB mit der Erbringung der ÖPNV-Leistungen bis 2024 betraut worden. Der Unternehmer Steinbrück beruft sich nun jedoch auf die EU-Richtlinie 1370, nach der eigenwirtschaftlich erbrachte Verkehrsleistungen den Vorrang genießen. Er gab an, alle bisher durch Straßenbahnen erbrachten Leistungen durch die Erlöse aus dem Fahrkartenverkauf in Bussen und die Ausgleichszahlungen für die Beförderung von Schwerbehinderten decken zu können. Dazu wolle er 13 Niederflurbusse einsetzen. So würden nach seinen Angaben pro Jahr etwa drei Millionen Euro an Steuergeldern eingespart. Doch das Landesverwaltungsamt äußerte sich verwundert über die Antragstellung und räumte kaum Chancen zur Erteilung der Konzession an die Firma Steinbrück ein. Ebenso stieß der Vorschlag bei vielen Mandatsträgern quer durch die Parteienlandschaft im Kreistag bitter auf.
Wolfgang Steinbrück (CDU), ebenfalls Kreistagsabgeordneter und ehrenamtlicher Beigeordneter des Landrats, hätte somit im Vertretungsfall die Kreistagsbeschlüsse umzusetzen gehabt. Die Stadträte und Bürgermeister der Städte Waltershausen, Friedrichroda und Tabarz ließen sehr schnell ihre ablehnende Haltung erkennen, da sie die sehr gute ökologische Bilanz des Straßenbahnbetriebes besonders in den Urlauberorten schätzen. Mehrere Beschlüsse aus den Räten bzw. Ausschüssen bekräftigen dies. Der Oberbürgermeister von Gotha bekannte sich ebenfalls zur Straßenbahn. Der Gothaer Landrat untermauerte nochmals den Bestand der Beschlüsse zum Betrauungsvertrag von 2009 sowie dem eben gerade beschlossenen Nahverkehrsplan. Der Chef der Regionalen Verkehrsgemeinschaft Gotha (RVG), in dem die Busunternehmen zusammengeschlossen sind, äußerte sich entsetzt über den Steinbrückschen Vorstoß. Er meinte, so gehe man nicht mit Partnern um, denn RVG und TWSB sind beide Mitglied im Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT). Die Firma Steinbrück ist ebenfalls einer der Anteilseigner der RVG.
Petition „Rettet unsere Thüringer Waldbahn“
Der Vorsitzende des FDP-Ortsverbandes Waltershausen, Christian Döbel, rief umgehend die Onlinepetition „Rettet unsere Thüringer Waldbahn“ ins Leben. Ziel ist es, größtmöglichen Druck zu erzeugen und nach dem Erreichen des Quorums von 1900 Unterschriften eine Vorlage im Kreistag von Gotha einzubringen. Inzwischen haben bereits mehr als 7500 Unterzeichner europa- und weltweit, davon mehr als 5000 allein aus dem Kreis Gotha, die Petition unterstützt. Die Petition läuft noch bis zum 14. November 2016. Der Verein Gothaer Straßenbahnfreunde e. V. bittet alle Freunde des Schienenverkehrs, die Petition zu unterstützen, egal ob aus dem Kreisgebiet von Gotha oder überregional. Zur Abgabe von Stimmen online oder zum Herunterladen von Unterschriftenbögen steht die Webeseite www.openpetition.de/petition/ online/rettet-unsere-thueringer-waldbahn zur Verfügung. Unterschriftenbögen können anschließend gern auch an die Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH, Waltershäuser Straße 98 in 99867 Gotha, eingesendet werden. Mitarbeiter und Mitglieder des Vereins Gothaer Straßenbahnfreunde e. V. übernehmen das Scannen, Hochladen und die Eingabe der Namen in die Petition. Die Firma Steinbrück betreibt nach eigenen Angaben seit 1948 Busbetrieb, der aus einem landwirtschaftlichen Betrieb hervorgegangen ist. Sie überstand alle Verstaatlichungsversuche zu DDR-Zeiten. Heute ist das Unternehmen in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Es bietet neben Nahverkehr auf Stadt- und Überlandbuslinien zum Beispiel auch Busreisen und Bus-Charterfahrten an. Die Erfahrungen der Bevölkerung mit dem vom Unternehmen erbrachten Linienverkehr sind durchwachsen. Das Spektrum reicht von Zufriedenheit bis zum Ärger über Unpünktlichkeit, kaum oder wenig Deutsch sprechendes Fahrpersonal bis zu mangelhaften Bussen. Im Reisebürosektor wechselten mehrfach die Franchisegeber bzw. Kooperationen, so zum Beispiel mit Sonnenklar-TV. Das Fernbusgeschäft gab die Firma nach wenigen Jahren wieder auf. Wolfgang Steinbrück ist im September als Präsident des Bundesverbandes deutscher Omnibusunternehmen wiedergewählt worden. Seit Anfang Oktober ermittelt die Staatsanwaltschaft Mühlhausen wegen des Verdachts der Untreue gegen die Regionale Verkehrsgemeinschaft Gotha (RVG) sowie auch gegen die Firma Steinbrück. Darauf legte dieser sein Amt als ehrenamtlicher Beigeordneter des Landrates nieder und trat danach auch als Kreistagsabgeordneter zurück. Zu seinem im Sommer eingereichten Antrag auf Übernahme aller Straßenbahnleistungen der TWSB werden seitdem Stellungnahmen aller Betroffenen (Gemeinden, Landkreis und TWSB) eingeholt. Eine Entscheidung des Landesverwaltungsamtes wird zum Jahresende 2016 erwartet. Selbstverständlich hat die TWSB die Verlängerung der Konzession beantragt. Sie bekennt sich zur weiteren Modernisierung und Beschaffung von neuen Niederflurwagen. Die Infrastruktur ist gut ausgebaut. Die Überlandbahnabschnitte sind über weite Strecken mit 65 km/h befahrbar. Die meisten Haltestellen entsprechen den heute geforderten Bestimmungen der Barrierefreiheit. Die Gemeinden Friedrichroda und Tabarz gaben in ihren Stellungnahmen bekannt, dass es vielerorts gar nicht möglich sei, Busverkehr im 30-Minuten-Takt in beiden Richtungen abzuwickeln. Zu groß wären die Einschränkungen mit Halte- und Parkverboten für die örtliche Bevölkerung. Ebenso sei die Haltestelleninfrastruktur zu einer kurzfristigen Betriebsaufnahme nicht geeignet. Investitionen auf diesem Sektor gingen zu Lasten der Gemeinden.
Neuigkeiten von Straßenbahnfahrzeugen
Der Tatra-Tw 313 ist nach Modernisierung und Hauptuntersuchung in eigener Werkstatt wieder in Betrieb genommen worden. Der Tw 522 hatte am 18. August 2016 einen „unverschuldeten“ Zusammenstoß mit dem Heckteil eines Busses der Firma Steinbrück. Die Triebwagenführerin kam mit dem Schrecken davon und Fahrgäste kamen nicht zu Schaden. Das A-Teil des Düwag-Achtachsers ist am Rahmen schwer beschädigt und kann voraussichtlich nicht mehr aufgebaut werden.
14.10.2016