Schmalspurbahn-Geschichte
Das Ferienlager Putbus des Rba Bautzen - Teil 2
Vorbemerkung
Im PK 107 (2/2009) wurde Teil 1 des Beitrages zum Ferienlager Putbus veröffentlicht, welches aus schmalspurigen Wagenkästen bestand. Nach der Veröffentlichung im April 2009 erreichten die Redaktion weitere interessante Fakten, die in diesem Teil eingearbeitet wurden. Dank der Informationen von Eberhard Klose, dem langjährigen Direktor der Berufsschule, konnten zahlreiche Wissenslücken gefüllt werden.
Ergänzung zur Entstehungsgeschichte
Der Aufbau des Ferienlagers begann im April 1968. Die Arbeiten wurden durch Pädagogen und Lehrlinge der Berufsschule Schirgiswalde in freiwilligen Einsätzen übernommen. Das Grundstück hatte eine Fläche von 2500 m² und wurde kostenfrei übergeben. Es handelte sich vorher um Gärten der Vorsteher von Bahnhof und Bahnbetriebswerk. Die Baugenehmigung wurde durch den Rat der Stadt Putbus erteilt, nachdem die Lehrwerkstatt des Raw Görlitz 50 Papierkörbe angefertigt und der Stadt übergeben hatte. Auf Grundlage der erteilten Genehmigung wurden die acht Wagenkästen von Lehrmeistern und Lehrlingen so hergerichtet, daß sie auf Betonschwellen aufgestellt werden konnten. Die Wagenkästen hatte die Verwaltung Wagenwirtschaft der Rbd Schwerin kostenfrei für den Aufbau des Lagers überlassen.
Nutzung des Ferienlagers
Die Berufsschule in Schirgiswalde zeichnete verantwortlich für die Facharbeiterausbildung im Bereich Betriebs- und Verkehrsdienst (BuV) innerhalb des Rba-Bezirks Bautzen sowie einiger Ausbildungsbereiche technischer Dienststellen, hier u. a. des Raw Schlauroth und der Bahnmeisterei Bautzen. Das Ferienlager unterstand der Berufsschule des Rba Bautzen als Rechtsträger, vertreten durch ihren Direktor. Es wurde zum Jugendobjekt der FDJ-Grundorganisation „Wilhelm Pieck“ auserkoren. Sämtliche Arbeiten erfolgten in Eigenregie, die Materialbeschaffung lief über die ortsansässige BHG und vor allem die guten Beziehungen zu den Eisenbahnern des Bahnhofs Putbus. Namentlich hervorgehoben wurde Herr Oleschewsky, der sich als invalider Eisenbahner maßgeblich um die Belange des Ferienlagers gekümmert hat. Die Finanzierung erfolgte anteilig aus Mitteln des Kultur- und Sozialfonds sowie durch die FDJ-Grundorganisation selbst. Die Lehrlinge haben dabei freiwillig im Rahmen der FDJ-Initiative Lehrproduktionsschichten geleistet und das Geld dann für ihr Jugendobjekt gespendet.
Der jährliche Aufwand für Erhaltung und Erweiterung der Anlage belief sich auf rund 15000 Mark der DDR, über den Gesamtzeitraum des Bestehens wurden fortlaufend also immerhin rund 300000 DDR-Mark für diese Form des Betriebsferienwesens ausgegeben. Die gesonderten Vorbereitungs- und Abschlußarbeiten erfolgten in zwei bis drei Einsätzen mit jeweils etwa 5 Pädagogen und 10-15 Lehrlingen, um die Inbetriebnahme, notwendigen Instandsetzungs- und Vorbereitungsarbeiten durchzuführen sowie erforderlichenfalls Erweiterungen vorzunehmen. Die personelle Absicherung der eigentlichen Sommer-Urlaubssaison von Juni bis September erfolgte durch interessierte Eisenbahner, die als Lagerleiter, Wirtschaftsleiter, Küchenpersonal oder Aufsichtskräfte für die Lehrlinge eingesetzt wurden.
Es gab in den Sommermonaten jeweils zweiwöchige Feriendurchgänge mit Belegung
- zweimal durch Lehrlinge der BBS mit je ca. 30 Teilnehmern,
- zweimal durch Familien der Lehrer, Ausbilder, des Rba und von Bahnhöfen mit je 12 Familien und
- einen Durchgang für ausgelernte Lehrlinge mit ca. 20-25 Teilnehmern.
Die Lehrlinge zahlten eine Teilnahmegebühr von 15 Mark pro Person und wurden dafür kostenlos verpflegt und betreut. Ausgelernte Lehrlinge hatten 30 Mark zu zahlen und mußten auf eigene Kosten an-/abreisen und sich verpflegen. Die Kosten von 180 Mark plus DR-Freifahrtschein je Lehrling und Durchgang hat die Berufsschule getragen. Für die kollektive Urlaubsgestaltung der Lehrlinge wurden aus dem Kultur- und Sozialfonds der BBS jährlich bis zu 10000 Mark bereitgestellt. Bei den Familiendurchgängen waren die 15 Mark pro Person und Tag und zusätzlich die Kurtaxe zu bezahlen. Für die Nutzung der zwölf in Binz aufgestellten Strandkörbe waren 10 Mark je Durchgang zu berappen.
Im Oktober 1995 fotografierte Sven Hoyer diese Ansicht vom Lager. Hinter dem Fotografen erstrecken sich die Gleisanlagen des Bahnhofes Putbus.
Im gesamten Ferienlager waren zwölf Zimmer mit einer Gesamtkapazität von etwa 40 Betten eingerichtet. Das Lager verfügte darüber hinaus über eine Küche, einen Speiseraum, einen Aufenthaltsraum, einen Fernsehraum, zwei Waschräume mit fließend Warm- und Kaltwasser und zwei Toiletten mit Wasserspülung sowie einen Gerätewagen. Ferner gab es einen Sportplatz, eine Kegelbahn und einen Bereich für Tischtennis.
Im Herbst wurde das Ferienlager dann winterfest gemacht. Während der Nichtbelegung erfolgte die Betreuung und Sicherung durch einen Eisenbahner vor Ort, empfindliches sowie diebstahlgefährdetes Material wurde im Güterboden des Putbuser Bahnhofs eingelagert.

Dieses Nutzungskonzept der Anlage über zwei Jahrzehnte belegt, daß in der DDR die Urlaubsplätze an der Ostsee sehr gefragt waren und auch Provisorien wie die beschriebene „Wagenburg“ über den normalen Zweck als Ferienlager von Schülern und Lehrlingen hinaus Verwendung als Urlaubsdomizil fanden. Die wenigen Plätze in den FDGB-Ferieneinrichtungen waren schnell vergeben, auch Betriebsferienheime oder die typischen Bungalow-Dörfer befriedigten die Nachfrage bei weitem nicht. Das Ferienlager in Putbus reiht sich damit beispielhaft in die Bemühungen der Rbd Cottbus um die Schaffung von Ferienplätzen an der Ostsee ein. Gleichzeitig zeigt die (Not-)Lösung des Rba Bautzen, daß auch durch Improvisation, Eigenleistungen engagierter Eisenbahner/-innen und bei geringen Komfortansprüchen Urlaubsmöglichkeiten an der Ostsee geschaffen wurden.
Die An- und Abreise der Lagernutzer erfolgte vielfach per Bahn auf Freifahrtschein, zum Baden fuhr man mit dem Zug nach Lauterbach oder aber mit dem „Rasenden Roland“ nach Binz Ost, wo es am Strand sogar eigens angemietete Strandkörbe gab. Ein Teil der Ladestraße des Kleinbahnbahnhofes diente aber auch als Parkplatz für die privaten PKW der Gäste. Mit dem Ende der DDR sank auch der Stern der Ferienlager in Putbus sehr schnell. Letztmalig erfolgte im Sommer 1990 eine Nutzung durch Ausbildungspersonal, Lehrlinge kamen in diesem Jahr schon nicht mehr. Mit der Auflösung der Reichsbahndirektion Cottbus 1991 ging dem Unternehmen sicherlich auch das Wissen um diesen „Außenposten“ in Putbus verloren.
Die 1990er Jahre
Während sich die früheren Nutzer und Verwalter selbst auflösten oder in eng aufeinanderfolgenden Strukturreformen im „Unternehmen Zukunft“ zerlegt wurden, geriet das Rügen-Anwesen der Deutschen Reichsbahn schnell in Vergessenheit. Erst der Förderverein begann Mitte der 1990er Jahre die Bereiche des ehemaligen Unterkunftshauses zu nutzen. Im Jahr 1995 erwarb der Verein das Gelände, im Juli zog sogar noch einmal Leben in die „Buden“, als die Wagenburg als Übernachtungs- und Ausstellungsfläche für eine Modellbahnanlage der „Interessengemeinschaft Mecklenburgische Eisenbahnen“ aus Bad Doberan diente, die hier während der Feierlichkeiten zum Jubiläum „100 Jahre Putbus – Binz“ präsentiert wurde. Im Mittelbereich des ehemaligen Hauptgebäudes erfolgte durch den Förderverein in der folgenden Zeit die Aufarbeitung von Fahrzeugteilen, andere Bereiche wurden zeitweilig auch zur Lagerung von Material und Ersatzteilen genutzt.
Ebenfalls Mitte der 1990er Jahre wurden auch Mitglieder sächsischer Eisenbahnvereine auf den Fundus von Wagenkästen aufmerksam. Durch das schützende Dach und die aufgebockte Lagerung der Fahrzeugrahmen waren die Kästen in einem weitgehend guten Erhaltungszustand. Doch das Interesse des Rügener Vereins, die Wagenkästen eventuell für den Aufbau einer eigenen Fahrzeugsammlung nutzen zu können, vereitelte das frühzeitige Abwandern einzelner Wagen zu den Projekten im Erzgebirge. Lediglich einzelne, typisch sächsische Einzelteile der Wagen (zum Beispiel Lüftungsaufsätze) fanden bereits Mitte der 1990er den Weg nach Sachsen.
Inzwischen verwahrloste das Gelände des ehemaligen Ferienlagers zunehmend, Vandalismus führte zu einer zunehmenden Zerstörung von Gebäudeteilen, wo es das Wetter noch nicht geschafft hatte.
Die Rückkehr der Wagenkästen

Nach langwierigen Verhandlungen gelang es dem Vorstand der IG Preßnitztalbahn e.V. Anfang 2001, vom Förderverein den Wagenkasten des ehemaligen Oberlichtwagens 970-751 (Chemnitz 1899, bis 1954 Hetzdorf) zu erwerben. Im Tausch gegen den Wagenkasten des GGw 97-13-11 und Zahlung eines „Ausgleichsbetrages“ wurde der erste Wagenkasten am 23. April 2001 aus der „Wagenburg“ geborgen. Rund zwei Jahre später fuhr der neu aufgebaute Wagen schon wieder auf schmalspurigen Gleisen.
Da der seit 2004 von einem neuen Vorstand geführte Förderverein die verbliebenen vier ursprünglich sächsischen Reisezugwagen nicht mehr selbst nutzen wollte, vermittelten die Eisenbahnfreunde die Abgabe dieser Kästen an andere Vereine. So übernahm der Pollo-Verein den Kasten des sächsischen Oberlichtwagens 970-775 (Chemnitz 1899, Holzbeplankung, bis 1950 Mügeln), die Traditionsbahn Radebeul hingegen den des holzbeplankten Wagens 970-755 (Bautzen 1907, sächsische Gattung 711, bis 1954 Grünstädtel). Die IG Preßnitztalbahn e.V. erwarb die beiden Wagenkästen 970-214 (Bautzen 1913) und 970-764 (Chemnitz 1899, bis 1954 Hetzdorf). Im Februar 2006 erfolgte durch Mitglieder der IG Preßnitztalbahn e.V. und unter logistischer Unterstützung der Press GmbH die Bergung und der Abtransport dieser vier Wagenkästen. Seit dem 2. Oktober 2008 ist mit 970-214 bereits der zweite Wagenkasten wieder reaktiviert. 970-775 befindet sich zur Aufarbeitung für den Pollo momentan beim Brücke e.V. in Blankenburg (Harz). Am 20. November 2008 erfolgte dann die restliche Beräumung des Geländes. Während das Gerippe des ehemaligen RüKB-Güterwagens 97-42-58 und der Kasten des ehemals kombinierten Sitz- und Gepäckwagens 974-451 (dieser KD4 entstand 1954 aus dem sächsischen KBtr 7.1201, Werdau 1913) in den Ausstellungsbereich des Fördervereins durch die RüBB umgesetzt wurden, erfolgte der Transport des vormals vierachsigen Gepäckwagens 974-501 (Werdau 1926) von Putbus nach Magdeburgerforth zum Traditionsverein Kleinbahn des Kreises Jerichow I (KJI).
Damit endete die beinahe 40jährige Geschichte eines ganz besonderen „Schmalspurbahnstandortes“. Für alle acht einst im Gelände eingebauten Wagenkästen gibt es die Hoffnung auf „ein neues Leben“ – zwei davon haben diesen Status bereits schon wieder erreicht.
Quellen und Informationen
Der Beitrag stellt den aktuellen Stand der verfügbaren Informationen dar und ist Resultat intensiver Recherchen. Berücksichtigung fanden im Beitrag auch Informationen und Hinweise aus Eintragungen im „Bimmelbahn-Forum“ (http://forum.mysnip.de/list.php?13156), speziell die Beiträge vom 19.7., 14.9., 2.10. und 26.11.2008 sowie 16.5.2009, an denen verschiedene Autoren mitwirkten. Besonderer Dank für Recherchen und Informationen geht an: Alfred Simm, Hans von Polenz, Helmut Hirche, Wolfgang Prucha, Eberhard Klose, André Marks, Sven Hoyer, Volker Krehut und Robert Dröse.
Für alle, die sich die genaue Lage des ehemaligen Ferienlagers bei GoogleEarth anschauen wollen, hier die Geokoordinaten: 54°21’28.65” Nord, 13°28’55.80” Ost Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Seite hat Google einen Kartenstand von 2001 abgebildet. Im Dach des „Hauptgebäudes“ ist das Loch nach der Entnahme des Kastens von 970-751 gut auszumachen.
15.06.2009