Schmalspurbahn-Geschichte
Leserbrief: Zittauer Triebwagen in Polen
Von unserem Leser Thomas Dietze aus Leipzig erhielt die Redaktion bisher unveröffentlichte Aufnahmen, die den ehemaligen VT 137 323 aus Zittau vor 45 Jahren bei den Polnischen Staatseisenbahnen (PKP) im Einsatz zeigen. Diese Aufnahmen möchten wir unseren Lesern nicht vorenthalten. Thomas Dietze schrieb dazu: „Im Juli 1972 verbrachte ich mit meinen Eltern den Sommerurlaub in Polen. Bei einem Autoausflug von Breslau/Wrocław in Richtung Norden sahen wir am 12. Juli durch Zufall den parallel zur Straße fahrenden Schmalspurtriebwagen. Meine Eltern erlaubten mir eine Mitfahrt. Diese habe ich noch gut in Erinnerung, denn der Triebwagen fuhr mit ziemlich hoher Geschwindigkeit – vielleicht 40 km/h – über ziemlich schlechte Gleise. Dabei schaukelte es sehr stark. Mit meiner Kamera vom Typ Pentacon elektra für SL-Filmkassetten machte ich am Endbahnhof Zmigrod dann mehrere Schwarzweißfotos. Weitere entstanden danach bei der gezielten Begleitfahrt nach Trzebnica. Erst Jahrzehnte später wurde mir beim Schmökern in meinen Fotoalben bewusst, dass ich 1972 einen ehemaligen Zittauer Triebwagen fotografiert hatte.“
Unterwegs war das aus Sachsen stammende Fahrzeug damals auf der Wrocławska KD. Diese war nach 1945 aus der im Jahr 1898 eröffneten Breslau-Trebnitz-Prausnitzer Kleinbahn AG sowie der 1895 in Betrieb genommenen, ebenfalls 750-mm-spurigen Trachenberg-Militscher Kreisbahn entstanden. Davon war im Sommer 1972 noch der Abschnitt von Trzebnica Gaj (Trebnitz) nach Żmigród Wask. (Trachenberg Schmalspurbahnhof) in Betrieb. Am 14. September 1991 stellten die PKP den Restbetrieb ein, danach erfolgte der Abbau der Strecke. Von den drei im Mai 1945 auf polnischem Staatsgebiet verbliebenen Zittauer Triebwagen war der am 7. Juli 1938 von der Deutschen Reichsbahn (DRB) in Betrieb genommene VT 137 323 im Juli 1972 mit seiner PKP-Betriebsnummer MBxd1-114 der letzte im Einsatz befindliche. Über seine Verwendung nach Kriegsende gibt es nur lückenhafte Informationen. Ab Mitte der 1950er Jahre kam er auf der Wroclawska KD zum Einsatz, zwischen 1959 und 1961 vermutlich auch zwischen Bogatynia (Reichenau) und Markocice (Markersdorf), dem nach Kriegsende an Polen gefallenen Teil der einst sächsischen Schmalspurbahn Zittau – Hermsdorf in Böhmen. Nach seiner Ausmusterung am 4. September 1974 blieb der Triebwagen zunächst für eine geplante museale Erhaltung in seinem Heimatdepot Trzebnic abgestellt. Dort wurde er jedoch Anfang der 1980er Jahre zerlegt. Dieses Schicksal hatte die beiden anderen 1945 in Polen vorgefundenen „Zittauer Triebwagen“ bereits mehrere Jahre zuvor ereilt. Deshalb handelt es sich beim heute von der SOEG eingesetzten VT 137 322 um das letzte erhaltene Fahrzeug dieser Art.
15.06.2017