Stillgelegte Eisenbahnstrecken heute
Die Schmalspurbahn Freital-Potschappel – Wilsdruff – Nossen (Teil 1)
(Teil XXIX der Artikelserie)
Beginnen wollen wir unsere Exkursion auf den Spuren der ehemaligen Schmalspurbahn Freital-Potschappel – Nossen am Bf Freital-Potschappel. So heißt der Bahnhof seit dem Jahre 1921, nachdem sich die drei Industriegemeinden Potschappel, Deuben und Döhlen zur Stadt Freital zusammengeschlossen hatten. Sehenswert ist das an der 1855 eröffneten Albertbahn Dresden – Tharandt gelegene Bahnhofsgebäude mit seiner restaurierten Fassade. Heute ist die einstige Privatbahn Bestandteil der Sachsenmagistrale Dresden – Chemnitz – Hof. Die Albertbahn nacht Tharandt wird heute halbstündlich durch die S-Bahn-Linie 3 bedient.
Um auf die ehemalige Schmalspurtrasse zu gelangen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man läuft vom Bahnhofsvorplatz über die Gutenbergstraße bis zur Fußgängerbrücke, die die Bahnhofsgleisanlagen überquert, oder man benutzt den bahnsteigseitigen Ausgang zur Oberpesterwitzer Straße und gelangt linkerhand zur Einmündung der Entlastungsstraße für das Freitaler Stadtzentrum. Linksseitig sieht man die Anlagen der Wagenausbesserungsstelle (WAS) Freital-Potschappel.
In Höhe des Treppenaufganges zur Saubergturnhalle erreichen wir die ehemalige Bahntrasse. Im Jahre 2004 erfuhr das Gelände im Zuge des Baues der Entlastungsstraße große Umgestaltungen. So wurde die Überbrückung der Roßthaler Straße abgerissen und der Bahneinschnitt verfüllt. Beginnend an der Porzellanmanufaktur verläuft der Wanderweg auf dem Planum der einstigen Bahntrasse. Bis kurz vor Wurgwitz nutzte die 1886 eröffnete Schmalspur die Regelspurtrasse der 30 Jahre zuvor eröffneten Niederhermsdorfer Kohlenbahn mit. So entstanden damals interessante dreischienige Gleiskombinationen.
In sanfter Steigung verläuft der Wanderweg, der nach dem Regionalhistoriker und Heimatforscher Edgar Rudolph benannt wurde, neben dem Wiederitzbach. Bald erreichen wir den Bf Freital-Zauckerode (km 1,9). Das 1939 aus einem Wohnhaus umgebaute Bahnhofsgebäude steht noch heute. Auf dem Bahnhofsgelände befindet sich seit den achtziger Jahren eine Garagengemeinschaft, die der alten Gleislage folgt. Mit ein wenig Phantasie läßt sich noch erahnen, welch lebendiger Betrieb auf dem Bahnhof früher – zu Zeiten des Steinkohlenbergbaues und der hier abgehenden Oppelschachtzweigbahn – herrschte. An der Ausfahrt des Bf Zauckerode befand sich linksseitig noch der regelspurige Gleisanschluß der Kohlenhandlung Müller. Dort steht heute ein Einfamilienhaus.
Weiter verläuft der breite Weg auf dem ehemaligen Dreischienengleis bis zu den Bombastus-Werken, einem bekannten Her-steller von Naturheilmitteln auf Salbeibasis.
Dieser Betrieb hatte selbstverständlich einen Gleisanschluß, allerdings nicht von der Schmalspurbahn, sondern von der Regelspurbahn. Die heute noch erkennbare Trasse der Regelspur kreuzte anschließend die Wilsdruffer Straße und führte bis zum Albertschacht, spätere Firma Säurich. Kurz vor dem Bf Wurgwitz (km 3,0) trennte sich die Schmalspur vom Dreischienengleis. In Wurgwitz erinnert neben dem Bahnhofsgebäude der Wagenkasten eines regelspurigen Güterwagens an die Eisenbahnzeit. Weiter verläuft unser Bahntrassenweg am Hang entlang mit Blick über die Dächer des heutigen Freitaler Stadtteils Wurgwitz. Der Schmalspurtrasse folgen wir bis kurz vor die Wurgwitzer Brücke. Diese ist vor allem durch das Unglück vom 4. November 1935 bekannt geworden, als sie unter der Last eines bergwärts fahrenden Güterzuges infolge Überlastung zusammenbrach.
Wir müssen an dieser Stelle die Trasse verlassen und die Straße nach Kesselsdorf queren. Rechterhand sehen wir einen aus Naturstein gemauerten Gewölbedurchlaß. Wir nutzen nun die Straße „Zur Wiederitz“ bis zur Erlenstraße. Hier gelangen wir bald wieder auf die Bahntrasse.
Jetzt beginnt der schönste Teil der Strecke. In stetiger Steigung schlängelt sich die Trasse hinauf nach Kesselsdorf. Gerade dieser Abschnitt der ehemaligen Bahntrasse zwischen Wurgwitz und Kesselsdorf ist von seiner Streckenführung außerordentlich beeindruckend. Die größte Steigung der Bahnlinie von 1:30 findet man hier auf einer zusammenhängenden Länge von immerhin 1620 m. Der kleinste Krümmungshalbmesser beträgt nur 80 m. Die alten Bahntrassen wieder bewußt ins Leben der Bevölkerung zu integrieren, dies ist ein besonderes Anliegen der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e. V. So wurde in den Jahren 1984/85 durch die Mitglieder des Vereins in gut 750 Arbeitsstunden in unbezahlter Freizeitarbeit die gesamte Bahntrasse zwischen der Wurgwitzer Brücke und Kesselsdorf mangels einer Kettensäge größtenteils mit Handsägen, Äxten, Spitzhacke, Spaten und mit viel Idealismus von Baum- und Strauchbewuchs befreit. Auch bereits verschüttete Durchlässe wurden wieder freigelegt.
Damit wurde schon Mitte der achtziger Jahre die Grundlage für den späteren Ausbau des Weges mit neuer Oberflächenstruktur geschaffen und die überregionale Einbindung in das Rad- und Wanderwegenetz ermöglicht. Nach mehreren Kurven gelangen wir an die Stelle, wo sich früher die „Windbrücke“ befand. Hier richtete starker Sturm 1899 und 1901 erhebliche Sachschäden an, als es durch Orkanböen jeweils einige Wagen von der Brücke warf.
Kurz vor dem Bf Kesselsdorf endet die ausgebaute Trasse plötzlich. Selbst die formschöne Bogenbrücke, erbaut in den Jahren 1914/15, ist zum Teil mit Müll verschüttet. Seit 1985 tickt hier im Trinkwassereinzugsgebiet eine ökologische Zeitbombe. Der gesamte Einschnitt bis zum Bf Kesselsdorf (km 6,6) ist ebenfalls mit Müll verfüllt. Später wurde dieser abgedeckt und heute gelangt man über einen kleinen Fußweg zum noch erhaltenen Bahnhofsgebäude. Es wurde jedoch in der DDR-Endzeit in seiner äußeren Erscheinung entstellt und die schöne Holzverkleidung des Obergeschosses mußte einer Asbestschindelverkleidung weichen. In den neunziger Jahren wurde das Bahnhofsgelände zudem bebaut.
Von der entlang der B 173 verlaufenden Bahntrasse ist nichts mehr zu sehen. So bleibt nur die Möglichkeit, am Rande der Bundesstraße zu radeln oder zu laufen. Perspektivisch ist aber vorgesehen, den Rad- und Wanderweg neben der Allee auf der ehemaligen Schmalspurbahntrasse anzulegen. Kurz vor Grumbach schwenkte die Bahntrasse in nordwestliche Richtung auf den Bf Grumbach zu. Wir müssen jedoch auf der Straße bleiben. An der Ampelkreuzung am Gasthof Grumbach biegen wir rechts ein und kommen auf der Hauptstraße nach einer Kurve direkt zum Bf Grumbach (b. Wilsdruff) (km 9,3). Das lange Zeit leerstehende Bahnhofsgebäude wurde mittlerweile renoviert und beherbergt die Geschäftsräume eines Baubetriebes. Bis Wilsdruff verlief die Bahnstrecke direkt neben der Straße, sie ist jedoch nicht mehr erkennbar. Wir haben wieder nur die Möglichkeit, der Straße zu folgen, die ebenfalls dicht befahren ist. Am Ortseingang sehen wir links die Firma Preiss-Daimler mit ihrem in orientalischer Architektur gehaltenen Firmengebäude. Früher befand sich hier eine Ziegelei, die einen Gleisanschluß besaß. Später nutzte man die alte Lehmgrube als städtische Mülldeponie. Danach kommt gleich die Baufirma Hartmann, die zu Bahnzeiten auch über ein eigenes Anschlußgleis verfügte. Dann markiert der Geländeeinschnitt den Beginn des Bf Wilsdruff (km 10,9). Das großflächige Bahnhofsareal mit den Gebäuden ist noch gut zu erkennen. Das Bahnhofsgebäude und der Lokschuppen sind in städtischer Hand, strahlen jedoch morbiden Charme aus. Hinter uns liegt nun eine gut 11 km lange Wegstrecke, es ist Zeit für eine Stärkung, es empfiehlt sich die Einkehr in der ehemaligen Bahnhofsgaststätte, die heute Sachsenperle heißt.
In den kommenden Jahren ist geplant, das Bahnhofsgebäude zu sanieren und unter Wahrung seines historischen Äußeren als „Stadtgemeinschaftshaus“ zu nutzen. Der Lokschuppen soll ebenfalls rekonstruiert werden. Neben dem städtischen Bauhof soll auch die IG Verkehrsgeschichte Platz für die Aufarbeitung und museale Hinterstellung von Fahrzeugen erhalten. Darüber hinaus strebt der Verein die Verbindung von Bf und Hp Wilsdruff mittels einer Draisinenbahn an.
Literaturtip:
Wer mehr über die Geschichte der Schmalspurbahnen im Raum Wilsdruff erfahren will, dem sei nachfolgendes Buch empfohlen: Mit der Schmalspurbahn durchs Wilsdruffer Land 132 A5-Seiten, 79 Farb- und 54 SW-Bilder, 15,- € Nicht über den Buchhandel zu beziehen, sondern nur direkt bei der IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V., PF 31, 01723 Wilsdruff, Telefon Versandbüro: 0351/643521
Wandertip:
Im Rahmen „125 Jahre sächsische Schmalspurbahnen“ findet am 29. April eine geführte Streckenwanderung von Potschappel nach Kesselsdorf statt. Treffpunkt ist auf dem Bahnhofsvorplatz in Potschappel 10 Uhr.
30.03.2006