Editorial
Liebe Preß’-Kurier-Leser,
an dieser Stelle äußerte ich mich vor fünf Jahren – allen Lesern, die jetzt nicht gleich die referenzierte Ausgabe 146 zur Hand haben, sei die Internetseite www.presskurier.de/146/editorial empfohlen – zum Jubiläum 25 Jahre Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten und zu den Folgen dieser Vereinigung für den Schienenpersonenverkehr. Thema war z. B. die Kirchturmpolitik des Freistaates Sachsen mit seinem reichhaltigen Angebot an Verkehrsverbünden und dem desaströsen Wettbewerb der Verkehrsleistungserbringer. Und was muss man heute feststellen? Geändert hat sich nicht gerade viel – oder doch (je nach Standpunkt)?
Der Freistaat Sachsen gönnt sich noch immer ein mittelalterlich zerklüftetes Verbundsammelsurium und die nach Koalitionsvertrag aus Umweltschutzaspekten geplant anzustoßenden Überlegungen zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken wurden wieder einmal aufs nächste Jahr verschoben (was aus politischer Perspektive quasi irgendwann kurz vor Sankt Nimmerlein bedeutet).
Dank spektakulärer Milliarden an Euro zur Unterstützung des notleidenden vollintegrierten staatseigenen Bahnkonzerns, den es nach der Zielstellung der vor 26 Jahren eingeleiteten Bahnreform in dieser Form eigentlich nicht mehr geben sollte, und durch Corona-bedingt einbrechende Fahrgasterlöse bei den an den „billigsten Anbieter“ vergebenen Nahverkehrsleistungen könnte es bald wieder bereinigte Geschäftsfelder geben. Des Steuerzahlers Geld fließt auf direktem Weg nur an den „Staatskonzern“, die anderen bekommen ja ÖPNV-Mittelzuweisungen zum Betreibervertrag, die aber gedeckelt sein müssen. Die Leistung ist halt im Wettbewerb vergeben worden. Damit können die Verkehrsverbundchefs dann wohl bald gänzlich in die Rolle des regionalen Besteller-Besitzer-Betreiber-Modells einsteigen und auch noch vollintegrierte Eisenbahn spielen.
Der vorige Absatz war Sarkasmus, unbestritten. Aber sollte es nicht langsam einmal zu denken geben, dass seit Jahren eine kaum vorwärts gerichtete Schienenverkehrspolitik stattfindet?
Ein Beispiel für eine positive Integrator-Rolle zeigen wir in dieser Ausgabe mit dem Bericht über die Hauptuntersuchung der Lok 53 Mh der Rügenschen BäderBahn auf. Weil die frühere Vollkomfortwerkstatt für Dampflokomotiven nicht mehr dem Bedarf folgen kann, suchen sich Dampflokbetreiber händeringend Alternativen. Vielleicht verschafft das Beispiel für die Zukunft etwas Hoffnung, dass Dampfloks auch in kommenden Jahren nicht nur in bewegten Bildern für Dynamik sorgen.
Dass trotz der Auswirkungen der Sars-CoV-2-Pandemie das Leben bei den dampf- und ehrenamtlich betriebenen Bahnen, Museen und Vereinsprojekten nicht zum Erliegen gekommen ist, davon bietet diese Ausgabe wieder ein interessantes Bild. Langsam kehrt der Mut zurück, auch über das Heute und Morgen hinaus wieder planen zu können. Mussten in diesem Jahr zahlreiche Dinge ausfallen oder klein gehalten werden, hoffen viele Beteiligte, dies im kommenden Jahr nachholen zu können. Dieses Vorhaben steht und fällt jedoch damit, dass auch Besucher und Fahrgäste diese Angebote annehmen. Damit kommen Sie ins Spiel, bitte nutzen Sie die gebotenen Möglichkeiten – auch mit den vorgesehenen Hygieneanforderungen – denn nur dann wird der Mut zu Planungen auch in weiteren Angeboten münden.
Glück Auf
11.10.2020