Verkehrspolitik
Kommentar: Kann das Eisenbahnhobby frei von Politik sein?
Selten ist in den vergangenen 28 Jahren ein Artikel im PK derart kontrovers mit Leserzuschriften bedacht worden und noch nie hat es das Editorial in diesem Ausmaß betroffen. Allein meine von einigen Lesern als „Nichtwahlempfehlung“, „politische Belehrung“ oder ähnliches empfundene Einleitung in der Ausgabe 169 über die Verleihung des Status als Weltkulturerbe für das Erzgebirge, die darin verknüpfte Verbindung eines entsprechenden „Willkommen-Gefühls“ für Besucher und die Konsequenzen in Bezug auf die damals anstehenden Landtagswahlen in Sachsen hat es nun geschafft, tatsächlich diverse emotionale Reaktionen zu erreichen. Jedoch positionierten 85 % der Zuschriften eine klare Zustimmung oder Anerkennung der dargelegten Meinung. Und um diese handelt es sich auch ganz klar: Ein Editorial gibt die persönliche Meinung des Unterzeichnenden wieder, für den PK verfasse ich als Herausgeber seit der Ausgabe Nr. 1 diese Einstimmungen. Die von mir im Editorial auf Seite 3 veröffentlichten Ansichten müssen dabei nicht mit der Meinung aller Redaktionsmitglieder übereinstimmen, was auch beim PK 169 der Fall war. Interessanterweise gingen die Argumentationen in verschiedenen Schreiben derjenigen, die meine Meinungsäußerung als unpassend oder irgendwie auch „medien-mainstream-mäßig“ fanden, sogar in die Richtung, dass sie sich enttäuscht von einer Politisierung dieser Zeitschrift und unseres gemeinsamen Hobbys zeigten.
Ist dies tatsächlich überraschend? War die bisherige Berichterstattung und Dokumentation von Ereignissen tatsächlich „politikfrei“? Dass ich mir eine dezidierte Meinung zu politischen Entscheidungen erlaube und die Freiheit als Herausgeber nutze, diese gelegentlich im Heft zu positionieren, ist meines Erachtens nichts Ungewöhnliches. Nun mag vielleicht beim PK 169 der Kontext etwas anderes gewesen sein, aber eine Landtagswahl findet nun einmal nicht jedes Jahr statt – jedoch sind die Auswirkungen der Regierungskonstellation schon merklich. Natürlich gab es auch in der Vergangenheit schon einzelne Rückmeldungen von Lesern, die mit Meinungen, Darstellungen oder bestimmten Aspekten der Berichterstattung nicht einverstanden waren. Widerspruch zur Einbeziehung von politischen Aspekten gab es aber so intensiv bisher nicht.
Nun ist es für mich aber schwer vorstellbar, genau diese Aspekte nicht zu verbinden. Vielleicht mag die Betrachtung des Hobbies „Modellbau“ diesen Ansprüchen genügen, da stehen die eigene Erwartungshaltung und das Vergnügen als alleiniger Maßstab. Doch Museumsbahnbetrieb, der Einsatz von Dampflokomotiven, die Unterhaltung und Erhaltung von kulturhistorisch wertvollen Exponaten in Museen ist ohne Interaktion mit der Gesellschaft im Ganzen und mit politischen Akteuren im Detail unvorstellbar.
Daher stellt sich für mich die Frage, ob die Artikulation von Ansprüchen, die Geltendmachung des Gestaltungswillens und der Teilhabe an bestimmten Prozessen in der Politik nicht noch viel mehr politische Mitwirkung erfordert. Ich habe hier ganz bewusst auf das konkrete Zitieren von Aussagen aus Zuschriften verzichtet – nichtsdestotrotz freue ich mich auf eine Fortsetzung der Diskussion. Was ist Ihre Meinung zur Frage in der Überschrift?
16.10.2019