Schmalspurbahnen in Europa
Die Bergstrecke der Ybbstalbahn - Eine Museumseisenbahn der ÖGLB
Eine der schönsten Museumsbahnen Österreichs liegt in der südwestlichsten Ecke des Bundeslandes Niederösterreich am Nordrand der Kalkalpen, im sogenannten Ötscherland – benannt nach dem Ötscher, der mit 1893 m der höchste Berg Niederösterreichs ist. Die Rede ist von der Bergstrecke der Ybbstalbahn. Spätestens seit dem Gasteinsatz der Dampflok 99 1542-2 aus Jöhstadt im vorigen Jahr ist diese österreichische Schmalspurbahn auch in Sachsen – zumindest aus Presseberichten – bekannt. Doch ein Besuch bei der längsten Strecke des österreichischen Partnervereins der IG Preßnitztalbahn e. V. lohnt sich auch in diesem Jahr. In dieser und der folgenden Ausgabe des PK stellen wir die Geschichte, den Betrieb und die Fahrzeuge der Ybbstalbahn vor.
Geschichte
Etwa auf halbem Weg von Linz nach Wien zweigt von der Hauptstrecke der Westbahn in der Nibelungenstadt Pöchlarn die im Jahr 1877 eröffnete regelspurige Erlauftalbahn ab, die bis 2010 bis Kienberg-Gaming (km 37,5), seither nur mehr bis Scheibbs (km 26,9) führt. Zwei Jahrzehnte lang gab es Bemühungen um eine normalspurige Verlängerung der Erlauftalbahn von Kienberg-Gaming über Lunz am See nach Göstling und weiter nach Hieflau in Richtung Erzberg oder aber nach Ybbsitz und Waidhofen an der Ybbs. Am 26. Dezember 1893 fiel dann im österreichischen Reichsrat die Entscheidung zum Bau einer Schmalspurbahn mit 760 mm Spurweite von Kienberg über die Wasserscheide von Pfaffenschlag nach Lunz am See und weiter durch das Ybbstal nach Waidhofen an der Ybbs. Die Arbeiten begannen im Sommer 1895 in Waidhofen unter der Regie der privaten „Ybbsthalbahn Actiengesellschaft“, daher zählt die Kilometrierung von dort. Als dritter Bauabschnitt der 71 km langen Ybbstalbahn wurde schließlich die 17,6 km lange Bergstrecke von Lunz am See nach Kienberg-Gaming am 12. November 1898 eröffnet. Sie ist mit einer Maximalsteigung von 31 Promille die steilste Adhäsions-Schmalspurbahn Österreichs mit 760 mm Spurweite und bewältigt damit von Kienberg nach Pfaffenschlag auf 11 km Länge eine Höhendifferenz von 311 Metern. Die Betriebsführung der Schmalspurbahn oblag von Anfang an den kaiserlich-königlichen Staatsbahnen (kkStB) Österreichs, ab 1919 den Österreichischen Staatsbahnen (ÖStB) und ab 1921 den Österreichischen Bundesbahnen (BBÖ). Auf der Ybbstalbahn wurden bereits in der Kaiserzeit zahlreiche neuentwickelte Fahrzeuge erprobt, so fast alle von der Linzer Lokomotivfabrik Krauss & Co. gebauten österreichischen 760-mm-Dampflokomotiven. Ab 1927 fanden im Ybbstal Probefahrten mit den ersten Schmalspurdiesellokomotiven der Wiener Firma Warchalowski und der Grazer Firma Weitzer statt. Als Folge der Weltwirtschaftskrise wurde die Ybbsthalbahn AG am 1. Januar 1930 verstaatlicht und den Österreichischen Bundesbahnen (BBÖ) eingegliedert. Nach dem Zwischenspiel bei der Deutschen Reichsbahn von 1938 bis 1945 wurde die Strecke von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) betrieben. Da infolge der individuellen Motorisierung das Beförderungsaufkommen in den 1980er Jahren stark zurückgegangen war, gaben die ÖBB als ersten Abschnitt der Ybbstalbahn im Mai 1988 den Gesamtverkehr auf der Bergstrecke auf.
Streckenübernahme durch die ÖGLB
Der seit 1977 auf der Höllentalbahn im südlichen Niederösterreich tätige Museumsbahnverein „Österreichische Gesellschaft für Lokalbahnen“, kurz ÖGLB, rettete durch sein Engagement die Bergstrecke vor dem Abriss, gründete die Niederösterreichische Lokalbahnen-Betriebsgesellschaft mit der geschichtsträchtigen Abkürzung NÖLB und bietet seit 1990 einen Nostalgieverkehr ab Kienberg-Gamig an. Dies war nur möglich, da neben der Unterstützung durch das Bundesland Niederösterreich und der beiden Anrainergemeinden eine engagierte Mannschaft von ehrenamtlich tätigen Vereinsmitgliedern fast jedes Wochenende außerhalb der Winterzeit an und für die Schmalspurbahn arbeitete. Dass seither der „Ötscherland-Express“ an Sommerwochenenden über den Pfaffenschlager Sattel und die Stahlgerüstträgerbrücken aus dem Jahr 1898 dampft, erfordert einen großen Aufwand beim Erhalt der Eisenbahnanlagen und Fahrzeuge, im Ausbau der Infrastruktur und in der Abwicklung der Fahrbetriebs. Doch diese Mühe lohnt sich: Die Bergstrecke erfreut sich eines stetigen Zuspruchs. Vor allem der Oberbau, der 1990 noch zu 60 % aus alten Holzschwellen bestand, erforderte jährliche Eingriffe. Zielführend erschien dem Vereinsvorstand der ÖGLB nur ein Umbau auf länger haltbare Stahlschwellen. Diese Arbeiten begannen im Jahr 2000 und sind mittlerweile so weit gediehen, dass nur noch 30 % der Strecke auf Holzschwellen liegen. Überdies gelang es mit finanzieller Förderung durch das Land Niederösterreich zwischen 2001 und 2010, die beiden großen Stahlbrücken am Hühnernest und Wetterbach sowie die kleinere Pockaubachbrücke grundlegend zu sanieren. In Eigenleistung brachte der Verein die Bodingbachbrücke mit neuen Brückenhölzern in Schuss. Damit sind die sensibelsten Streckenteile auf die nächsten 15 Betriebsjahre vorbereitet.
Verlängerungen in beide Richtungen?
Nach Einstellung der übrigen Ybbstalbahn (mit Ausnahme des fünf Kilometer langen Abschnittes Waidhofen an der Ybbs – Gstadt) im Jahr 2011 rettete die ÖGLB den 9 km langen Abschnitt von Lunz am See bis Göstling. Dabei handelt es sich um einen ganz anders gearteten Abschnitt entlang des Flusses Ybbs. Im Juli 2013 nahm der Verein mit der NÖLB den Eisenbahnverkehr auf diesem Streckenteil auf. Damit befinden sich 38 Prozent der alten Ybbstalbahn in Hand der ÖGLB und blieben somit vom nach 2011 folgenden Gleisabbau verschont. Der Ausgangspunkt der Bergstrecke, der Bahnhof Kienberg-Gaming, früher Endbahnhof der normalspurigen Erlauftalbahn, ist der Betriebsmittelpunkt der Museumsbahn. Die von der NÖLB mit EU- und Regionalförderungsmitteln 1997 errichtete 35 m lange dreigleisige Fahrzeughalle beherbergt eine der größten Schmalspurfahrzeugsammlungen Österreichs. Historische Gebäude aus dem Jahr 1876 sind in der Nachbarschaft der markante Wasserturm und das ab Ende des 19. Jahrhunderts für Normal- und Schmalspur genutzte Heizhaus. Seit dem Jahr 2004 liegen darin nur Schmalspurgleise, ergänzt wird es um einen 20 m langen Werkstättenanbau. Ein weiteres Unikat ist die vierschienige Drehscheibe. Seit 2015 ist die NÖLB Eigentümerin und damit der Verein ÖGLB Nutzer der Eisenbahnanlagen von Kienberg-Gaming samt mehrerer Gebäude und der 9 km langen Bahnstrecke nach Scheibbs, da die ÖBB dies nur en bloc verkaufte und die NÖLB den Kauf mit den Weichen, Schienen und Schwellen der Normalspurstrecke gegenfinanzieren konnte. Pläne für eine Wiederbelebung der Strecke werden derzeit geprüft.
Der Streckenverlauf
Bald nach Verlassen des Bahnhofs Kienberg-Gaming (km 71,0 auf 388 m Seehöhe) kreuzt die Schmalspurbahn die Landeshauptstraße, passiert die 20 m lange Gitterbrücke über den Pockaubach und klettert in Hanglage zur Haltestelle Gaming (km 68,0 auf 466 m Seehöhe) empor. Dabei fällt der Blick auf den Markt Gaming und die gotische Kartause (gegründet im Jahr 1332). Die Trasse schlängelt sich an bewaldeten Berghängen entlang und der Zug befährt zwei Stahlgerüstviadukte – auch Trestlework-Brücken genannt: den 94 m langen und 28 m hohen Hühnernest- sowie den 79 m langen und 35 m hohen Wetterbachviadukt. Nach 35 Minuten Fahrt ist die auf 699 m Meereshöhe gelegene Scheitelstation Pfaffenschlag am Streckenkilometer 59,7 mit ihrem im Jahr 2008 originalgetreu renovierten Bahnhof erreicht. Nachdem die Dampflok hier Wasser gefasst hat, geht es mit völlig verändertem Landschaftsbild ins Bodingbachtal hinab. Der Streckenverlauf ist nun von tiefen Felseinschnitten geprägt. Hoch oberhalb des Orts Bodingbach und des sich nun weitenden Talgrunds gelangt der Zug zur Haltestelle Holzapfel am km 56,0 auf 633 m Höhe. Kurz danach folgt die seit 2006 bestehende Bedarfshaltestelle „Gasthof zur Paula“ am km 55,0. Nach Überqueren des Bodingbachs mit einer 23 m langen Brücke erreicht die Schmalspurbahn die im Jahr 2002 errichtete ortsnahe Bedarfshaltestelle Lunz Amonhaus am km 54,1. Von dieser ist es nicht mehr weit zum am Ortsrand gelegenen Bahnhof Lunz am See auf 591 m Seehöhe am km 53,4. Sonderzüge verkehren von Lunz durch das malerische Ybbstal über die Haltestelle Stiegengraben-Ybbstalerhütte (km 47,3) bis zum jetzigen Endbahnhof Göstling am km 44,0 auf 532 m Seehöhe. Wer mehr über die Bergstrecke und ihre Geschichte erfahren will, findet dies im 2005 beim Verlag Kenning erschienenen Buch „Die Bergstrecke der Ybbstalbahn“ von Werner Schiendl. Der Verkauf erfolgt nur noch über die ÖGLB.
Im nächsten PK 163 werden die Fahrzeuge der ÖGLB auf der Ybbstalbahn-Bergstrecke vorgestellt.
12.06.2018