Bücher-Markt
Rezensiert: Schienenwege gestern und heute. Zeitreise durch Ost-Sachsen
André Marks, Burkhard Wollny, Rainer Heinrich
Schienenwege gestern und heute.
Zeitreise durch Ost-Sachsen
144 Seiten im Format 22,3 x 29,7 cm, gebunden, mit etwa 250 farbigen und schwarzweißen Aufnahmen sowie zwei Streckenkarten VGB Verlagsgruppe Bahn, Fürstenfeldbruck/Klartext Verlagsgesellschaft Essen 2017. ISBN: 978-3-8375-1863-4 Preis: 29,95 Euro
Wenn jetzt das Grün in der Natur wiedererwacht, dann bekommen viele Eisenbahnfreunde wieder Lust auf Exkursionen. Dafür hat der Rezensent schon eine Zielregion gefunden: die Oberlausitz. „Schuld“ daran ist ein im letzten Herbst erworbenes Buch mit dem oben genannten sperrigen Namen aus der Feder des PK-Redakteurs André Marks. Dieser wählte vor etwa einem Jahr mehr als 100 historische Aufnahmen aus der Region Dresden/Görlitz/Zittau aus und versuchte von exakt den gleichen Aufnahmestandorten wie Burkhard Wollny, Rainer Heinrich, Horst Schrödter, Günter Meyer und andere Fotografen in den 1960er bis 1990er Jahren die heutige Situation zu fotografieren. Derartige Gegenüberstellungen von einst & jetzt sind natürlich nichts Neues und sie gibt es bei vielen Verlagen. Aber die vor mehreren Jahren von der VGB eröffnete Buchreihe bietet nicht nur von den Motiven her reizvolle, sondern auch qualitativ hochwertige Bildpärchen. Das zeigt sich an der Abdruckgröße und der Druckqualität der teils mit großem Aufwand erstellten Aufnahmen. So kraxelte André Marks nach eigenen Angaben 500 m durchs Unterholz, nur um den Bahnhof Bad Schandau wie Peter Hauswald 1968 von der Hangseite aus zu fotografieren. Die Bildvergleiche aus dem Elbtal belegen die dort sehr hohe Bedeutung der Eisenbahn. Der Großteil der übrigen Bildpärchen stimmt eher nachdenklich: Welchen Niedergang hat die Eisenbahn in der Oberlausitz in den vergangenen Jahren hinnehmen müssen! Drängte sich in der Vergangenheit auf so manchem Gleis einst Güterwagen an Güterwagen, so erstrecken sich heute dort teils Busbahnhöfe, Radwege – oder einfach nur Bäume. Es ist ein Genuss für den Leser die vielen kleinen Spitzen, aber auch offen ausgesprochenen Anklagen in den Bildtexten von André Marks zu lesen. Sei es sein Fazit von der „Verbuschung und Verwaldung“ von Kulturlandschaften oder die Kritik an der Vernichtung von Kreuzungsmöglichkeiten, was die Leistungsfähigkeiten vieler Eisenbahnstrecken kastrierte. Deshalb bergen Exkursionen auf den Spuren der Fotografen auch viel Wehmut – versprechen jedoch andererseits ebenfalls Spannung und Abenteuer. Lob verdienen die Vortexte zu den vorgestellten Strecken, wobei Marks die Strecke von Horka nach Rothenburg vergessen hat zu erwähnen. Wie von der im Text erwähnten Linie Kamenz – Bischofswerda und von der Waldeisenbahn Muskau gibt es von dort keine Aufnahmen im Buch. Alle übrigen in den 1960er Jahren in Ostsachsen noch vorhandenen Eisenbahnlinien – und sogar die Kirnitzschtalbahn sowie die Steinbruchbahn in Bernbruch bei Kamenz – sind auf den 115 Bildpärchen berücksichtigt. Das Spektrum der Aufnahmen wechselt dabei angenehm zwischen Bahnhöfen, Haltepunkten, Viadukten und Bahnbetriebswerken. Der Zittauer Schmalspurbahn widmete Marks ganze sechs Seiten.
Fazit: Ein qualitativ hochwertiger Bildband voller Überraschungen. Wer seit dem Ende der Dampfzeit auf der Regelspur nicht mehr in der Oberlausitz war, der weiß dank diesem Buch, wo er beruhigt wieder einmal hinfahren sollte – und wo ihn große Wehmut erfassen wird.
09.04.2018