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Interview zum Buch „Die Wagen der sächsischen Schmalspurbahnen“ (Band 2)
Im Interview vorgestellt Rainer Fischer, Sven Hoyer, André Marks, Joachim Schulz
Die Wagen der sächsischen Schmalspurbahnen
Band 2: gedeckte und offene Güterwagen
256 Seiten im Format 29,7 x 24 cm mit mehr als 200 Schwarzweißfotos, knapp 80 Farbbildern und knapp 100 Zeichnungen SSB-Medien, Zittau 2017. ISBN: 978-3-00-055550-3 Preis: 48 Euro
Seit Mitte Februar 2017 ist er im Handel – der lang ersehnte Band 2 über die Wagen der sächsischen Schmalspurbahnen. Die umfassendste Darstellung über dieses Thema, die es je gab, stellt aber nur offene und gedeckte Bauarten vor – einschließlich Rungen-, Drehschemel- und Klappdeckelwagen. Neben allen jemals auf den 750-mm-Schmalspurbahnen in Sachsen eingesetzten Güterwagen sind auch die offenen und gedeckten Güterwagen der sächsischen Meterspurstrecken enthalten. In Summe sind das für beide Spurweiten etwa 3500 Güterwagen. Da einer der Autoren zugleich als Mitglied der PK-Redaktion aktiv ist, bot sich ein Interview an, um das Werk vorzustellen und verschiedene Hintergründe zu erfahren, die über eine herkömmliche Rezension hinausgehen. Und so stellte Armin-Peter Heinze (in Folge mit „PK“ gekennzeichnet) dem Mitautor André Marks (mit „AM“ gekennzeichnet) mehrere Fragen:
PK: Zunächst meinen herzlichen Glückwunsch zum Erscheinen dieses weiteren Mammutwerkes! Fünf Jahre haben wir darauf gewartet – ohne Vorwurf ganz offen gefragt: Warum hat das so lange gedauert? AM: Sowohl der Hauptautor Rainer Fischer als auch Sven Hoyer, Joachim Schulz und ich sind berufstätig. Das heißt, dass wir das Manuskript, die Zeichnungen und den Tabellenteil für das Wagenbuch in unserer Freizeit erstellen. Aber jeder von uns hat neben „der Passion Wagenbücher“ auch noch andere Verpflichtungen – unseren Familien gegenüber wie auch im Hobby. Dadurch blieb pro Monat nur wenig Zeit, um das neue Niveau zu erreichen.
PK: Das „neue Niveau“ – was heißt das? AM: Nach dem Erscheinen von Band 1 gab es neben viel Lob auch einige berechtigte Kritikpunkte. So hatte die inhaltliche Tiefe der Texte über die einzelnen Wagengattungen mehrere Leser enttäuscht. Auf fast immer nur einer Doppelseite pro Typ war für technische Beschreibungen der Reisezugwagen kaum Platz geblieben. Außerdem vermissten viele Käufer weitere Aufnahmen von den jeweiligen Wagentypen – nur ein Foto pro Bauart befriedigte nicht das Interesse aller Leser. Im Tabellenteil fehlten wiederum Angaben zur Stationierung der Reisezugwagen. Alle diese Dinge wollten wir im Band 2 besser machen: mehr Text und Aufnahmen pro Wagengattung sowie im Tabellenteil eine Spalte mit den uns bekannten Stationierungen der Güterwagen. Doch das war in der Freizeit nebenbei einfach nicht innerhalb von wenigen Monaten zu stemmen!
PK: Demnach passen Band 1 und Band 2 aber jetzt nicht mehr so richtig zusammen? AM: Jein – natürlich baut Band 2 in verschiedenen Aspekten auf Darstellungen von Band 1 auf, aber die Beschreibungen der einzelnen Güterwagenbauarten sind tatsächlich um ein Vielfaches umfangreicher und besser illustriert. Außerdem können jetzt im Tabellenteil bei vielen Güterwagen auch Angaben zur Stationierung nachgeschlagen werden.
PK: Anstatt einer Doppelseite gibt es im Band 2 für viele Wagengattungen zwei oder gar noch mehr Doppelseiten. Die vierachsigen gedeckten Güterwagen der Länderbahnbauart sind sogar auf 14 Seiten beschrieben, der Tabellenteil ist auf das Doppelte vom Umfang in Band 1 angewachsen. Ist das der Grund dafür, dass es einen Band 3 geben soll? AM: Ja, genau! Ursprünglich sollten im Band 2 unter anderem auch die Rollböcke, Rollwagen sowie die Bahndienstwagen der Güter- und Reisezugbauart vorgestellt werden. Mit den Beschreibungen für alle diese Fahrzeuge ist Rainer Fischer bis zum Sommer 2016 auch fertig geworden. Das Grundlayout für diese Wagen habe ich bereits erstellt. Als ich aber dem Verleger Ingo Neidhardt im Herbst vorigen Jahres an meinem PC allein knapp 250 vorbereitete Seiten ohne Tabellenteil und ohne die Kapitel über die modernisierten Reisezugwagen sowie zu den Trieb- und Beiwagen zeigte, musste eine Entscheidung her. Wir Autoren sind sehr glücklich darüber, dass SSB-Medien einen dritten Band verlegen möchte.
PK: Ja, aber hätten die Rollwagen, Rollböcke und Bahndienstwagen nicht wirklich noch in Band 2 gepasst? Den Tabellenteil hätte man doch auch in zeitgemäßer digitaler Form dem Buch beilegen können! AM: Viele Eisenbahnfreunde nehmen an, es gab in Sachsen lediglich zwei Bauarten Rollböcke sowie nur zwei, drei verschiedene Rollwagentypen. Aber auf den sächsischen Schmalspurbahnen fuhren allein über ein Dutzend verschiedene Rollbockbauarten und nicht weniger Arten an Rollfahrzeugen! Die dreiachsigen Exemplare haben sich nicht bewährt und es gab sie nur wenige Jahre – aber sollen wir deshalb auf den Abdruck der Wagenskizze aus dem „Bildlichen Verzeichnis“ verzichten und diese Fahrzeuge unter den Tisch fallen lassen? Nein, es ist nur konsequent, dass diese Exoten ebenfalls beschrieben werden. Dabei hat Hauptautor Rainer Fischer sich schon bemüht, kleine Gruppen zu bilden, die er gemeinsam beschreibt. Dennoch warten knapp 50 Seiten allein zu den Rollböcken und Rollwagen auf ihren Abdruck im Band 3. Einen ähnlichen Umfang hat die Beschreibung der Bahndienstwagen – dazu gehören zum Beispiel die Schneepflüge. Davon gibt es ebenfalls zahlreiche Bauarten und auch diese haben es verdient, einzeln mit einer maßstäblichen Zeichnung 1:87 vorgestellt zu werden. Es war deshalb etwas vorschnell von SSB-Medien, im Jahr 2012 alle Güterwagen in einem Band anzukündigen. Doch das soll kein Vorwurf sein, denn wir Autoren hätten auch schon 2012 wissen können, dass es für ein Buch im Stil von Band 1 zu viel Material gibt.
PK: Lass mich nochmals den Tabellenteil ansprechen: Warum habt ihr den nicht ausgeklammert und dem Buch gesondert auf einer CD oder DVD beigelegt? AM: Diese Idee ist nicht neu – und käme vermutlich einer großen Gruppe von Eisenbahnfreunden tatsächlich entgegen. Aber nach meinen Beobachtungen gibt es auch heute noch eine ganze Menge Haushalte ohne Computer. Diese potentiellen Käufer wollen wir nicht ausgrenzen. Jedermann soll unsere Forschungen schwarz auf weiß in einem Buch nachlesen können.
PK: Aber in digitaler Form – zum Beispiel als Excel-Datei – könnte jeder Computernutzer den Tabellenteil schneller recherchieren und ganz individuell fortschreiben … AM: Ja, das stimmt natürlich – aber offen gestanden gibt es unter uns Autoren zu diesem Thema abweichende Standpunkte. Der Tabellenteil von Band 2 umfasst 82 Druckseiten. Kannst du dir vorstellen, wie viel Arbeit das war, allein alle diese Zahlen einzugeben? Band 1 bekam einen Tabellenteil – es war letztendlich nur konsequent, ihn auch in Band 2 zu drucken.
PK: Aber wer soll diese knapp 100 Seiten ernsthaft durchlesen? AM: Das Interesse an solchen Statistiken ist überraschend groß! Es ist ein einzigartiges Nachschlagewerk, um einem Wagen mit bekannter Betriebsnummer aus der Länderbahnzeit, der DRG-Zeit oder der DDR-Zeit nach wenigem Blättern den Hersteller, das Baujahr und viele weitere Angaben zuzuordnen. Bei mir gingen auch bereits zahlreiche Rückmeldungen zu einzelnen Angaben gerade aus dem Tabellenteil ein.*
PK: Worauf seid ihr Autoren besonders stolz? AM: Auf die vielen neuen Forschungsergebnisse von Rainer Fischer! So hat er nicht nur die Bauartunterschiede der einzelnen GGw- und OOw-/OO-Lieferungen beschrieben, sondern auch Licht ins Dunkel der im Zweiten Weltkrieg nach Sachsen gekommenen Wagen gebracht. Demnach stammten die Einzelstücke 97-23-52 und 97-23-74 eben nicht aus Ungarn, sondern von der Generaldirektion der Ostbahn! Außerdem haben wir zahlreiche ab den 1970er Jahren aufgetretene Betriebsnummerntausche von GGw sowie HH aufgedeckt, was übrigens auch Wagen der IG Preßnitztalbahn e. V. betrifft. Voller Dankbarkeit schaue ich aber auch nach Polen und in die Tschechische Republik: Von dort erhielten wir überraschend viele Angaben zum Verbleib von sächsischen Fahrzeugen bzw. von den Güterwagen der Friedländer Bezirksbahnen. Großer Dank gebührt natürlich aber auch allen Helfern aus Deutschland, die uns mit Fotos und Angaben oder als Korrekturleser unterstützt haben. Eine namentliche Aufzählung würde allein eine Seite in Anspruch nehmen, deshalb bitte nicht böse sein, dass ich jetzt gar keinen Namen nenne.
PK: Neben den gedeckten und offenen Wagen finde ich im Band 2 auch Exoten wie die Fäkalienwagen, die Klappdeckelwagen und die Rungenwagen. Hätten die nicht zu den Bahndienstwagen gehört? AM: Die Rungenwagen werden heute fast ausschließlich zur Streckenunterhaltung genutzt – ja, das ist richtig. Dennoch wurden sie wie die anderen von dir genannten Typen als vollwertige Güterwagen beschafft. Viele Fäkalien- und Klappdeckelwagen entstanden aus offenen Güterwagen. Diese Bauarten sind deshalb im Band 2 jetzt genau richtig.
PK: In der Jöhstädter Werkstatt wird der Band als Fachbuch bei der museumsgerechten Aufarbeitung von Fahrzeugen eine praktische Anwendung finden. Welche Effekte wünschst du dir bei anderen Lesern? AM: Natürlich hoffe ich, dass viele Eisenbahnfreunde und -autoren das Buch nicht nur durchblättern sowie die Fotos betrachten, sondern bei der Lektüre beispielsweise den Unterschied zwischen OO und OOw verinnerlichen. Es wäre außerdem schön, wenn bei Modellbahnherstellern ab sofort Fehler hinsichtlich Betriebsnummern, Gattungsangaben und Lackierung der Vergangenheit angehören.
PK: Ist das Thema gedeckte und offene Güterwagen für euch endgültig abgehandelt? AM: Nein, auf keinem Fall! Denn mit Band 2 haben wir ja nur unseren Wissensstand 2016 veröffentlicht. Wir sind an Ergänzungen, Korrekturen sowie weiteren Angaben und Aufnahmen von Wagen dieser Bauarten unverändert stark interessiert! Nur so lässt sich der Tabellenteil komplettieren und können noch offene Fragen beantwortet werden.
PK: Und die wären beispielsweise? AM: Naja, wir wissen ja bisher nicht, ob es wirklich nur zwölf OO und OOw mit Neubaurahmen gegeben hat – und wir würden natürlich zum Beispiel gern noch mehr über die im Zweiten Weltkrieg aus Ungarn nach Sachsen gekommenen Wagen wissen wollen. Außerdem hat der Tabellenteil beim Verbleib von Wagen noch große Lücken … Deshalb brauchen wir weitere Fotos und Hinweise …
PK: Kommen wir noch einmal zum Band 3. Dieser soll also u. a. die Rollböcke, Rollwagen, Bahndienstwagen sowie die modernisierten Reisezugwagen beschreiben. Das leuchtet mir alles ein. Im Inhaltsverzeichnis von Band 2 ist für euer drittes Werk aber auch die Beschreibung der schmalspurigen Trieb- und Beiwagen angekündigt. Wieso das denn? AM (lacht): Ja, diese Frage stellt sogar unser Verleger! Rainer Fischer als Hauptautor begründet es aber so: Wie die Namen „Triebwagen“ und „Beiwagen“ schon besagen, handelt es sich bei beiden Fahrzeugtypen um Wagen. Beide Gruppen dienen wie herkömmliche Wagen entweder auch der Beförderung von Reisenden oder dem Transport von Gütern. Außerdem handelt es sich zum Beispiel bei den vermeintlichen Baureihennummern 133, 135 und 137 eigentlich um drei Nummerngruppen für Reisezugwagen! Deshalb möchte sie Rainer Fischer unbedingt in einer Abhandlung über Wagen der Vollständigkeit halber mit vorstellen. Und wie wir ihn kennen, wird sich das Warten lohnen. Er beschreibt die Fahrzeuge in einer Detaillierung, wie bisher noch niemals erfolgt. Als Layouter mache ich mir allerdings schon Sorgen, wie ich seine 1:87-Zeichnung vom „Lindwurm“ VT 137 600 platzieren soll!
PK: Gibt es diese Zeichnung etwa schon? AM: Ja, Rainer Fischer ist in dieser Hinsicht ein Pfundskerl mit schier unendlicher Ausdauer und riesigem Fleiß! Er hat die im Band 3 porträtierten Fahrzeuge längst alle im Maßstab 1:87 gezeichnet. Allein dafür lohnt sich meines Erachtens der Kauf der Bände 1 bis 3. Für die letzte Seite von Band 2 hat er noch eine ganz besondere 3D-Grafik beigesteuert. An ihr sind die in den technischen Beschreibungen verwendeten Fachtermini erklärt.
PK: Da bleibt nur noch die Frage nach dem Erscheinungstermin von Band 3 – müssen wir wieder fünf Jahre warten oder ist er schon eher absehbar? AM: Leider muss ich alle Erwartungen sofort dämpfen, dass Band 3 noch in diesem Jahr erscheinen könnte. Aber ich habe auch kein Gefühl dafür, ob es 2018 klappt. Denn ich würde sehr gern gemeinsam mit Joachim Schulz auf Grundlage der uns erst seit Kurzem vorliegenden Stationierungsnotizen von Rainer Heinrich noch eine Tabelle mit den Beheimatungen aller sächsischen Rollfahrzeuge ab 1969 erstellen. Damit haben wir bisher nicht angefangen. An der Tabelle mit den Bahndienstfahrzeugen gibt es ebenfalls noch viel Arbeit – doch mit zehn Jahren Verspätung wird sich meine Familie im Sommer endlich um zwei Personen vergrößern …. Wie viel Zeit mir dann für diese Tabellen und das Layout bleibt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht real einschätzen. Auch Rainer Fischer ist beruflich und privat stark eingebunden, so dass wir um Verständnis dafür bitten, dass Band 3 wohl leider noch viele Monate auf sich warten lassen wird …
PK: Na dann alles Gute für die Zukunft und vielen Dank für die aufschlussreichen Details und Hintergründe zum Buch!
14.04.2017