Fahrzeuge im Porträt
Harzer Schmalspurbahnen: Diesellok 199 012-6 wieder in Betrieb
Am 4. September 2015 öffneten sich im Harz die Tore des alten Lokschuppens von Ilfeld. Danach zog die Diesellok 199 874-9 die hier mehrere Jahre hinterstellte 199 012-6 zunächst ins Freie und brachte sie anschließend nach Wernigerode Westerntor in die Werkstatt der Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB). Hier arbeiteten die Werkstattmitarbeiter die Rangierlok innerhalb von acht Wochen betriebsfähig auf. Seit der Abnahmefahrt am 30. Oktober 2015 zählt die zweiachsige Lokomotive wieder zum Betriebspark der HSB. Aus diesem Anlass folgt hier ein Blick in die Geschichte des Fahrzeuges.
Einheitskleinlokomotivtypen der Reichsbahn
Anfang der 1930er Jahre entwickelte die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) in Zusammenarbeit mit einer aus den Firmen Deutz, Jung, BMAG, Krauss-Maffei und Orenstein & Koppel gebildeten Arbeitsgemeinschaft die regelspurigen Einheitskleinlokomotive der Leistungsgruppe II. Von 1933 bis 1944 bauten die genannten Hersteller von diesem intern als LDE 50 geführten Loktyp mehr als 1000 Fahrzeuge, die sich vom äußeren Aufbau her weitestgehend glichen. Die Motoren verfügten über eine Nennleistung von 40 bis 107 PS, Antrieb und Kraftübertragung lösten die Ingenieure dabei auf unterschiedliche Weise. So gab es Kleinlokomotiven mit Vergasermotor (Kb, wobei das b für Benzol stand), mit Dieselmotor (Kö, wobei das ö für Öl stand), mit Generatorgasmotor (Kg) sowie mit Speicher (Ks, wobei das s für Akkumulatoren stand, weshalb sich dieses Kürzel später in Ka änderte). Bei elektrischer Kraftübertragung war ein kleines e anzufügen (Köe), bei Lokomotiven mit Flüssigkeitsgetrieben ein kleines f (zum Beispiel Köf).
Die Geschichte der späteren 199 012-6
Die heute von den HSB als 199 012-6 geführte Schmalspurdiesellok stellte die Berliner Maschinenbau Act. Ges vorm. L. Schwartzkopff (BMAG) im Jahr 1933 unter der Fabriknummer 10164 mit Benzolmotor und für 1435 mm Spurweite her. Damit entsprach sie der Grundkonzeption der damaligen Einheitsbauart von 1932. Die DRG nahmen sie als Kb 4113 am 27. Oktober 1933 in Betrieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die regelspurige Rangierlok zunächst unter dieser Bezeichnung weiter im Einsatz. Ab Ende 1948 rangierte sie dabei knapp drei Jahre im Bahnhof Gernrode, danach in anderen Dienststellen der Rbd Magdeburg. Anfang der 1950er Jahre erhielten auf dem Gebiet der DDR befindliche Kleinloks mit Benzolmotor im Raw Dessau neue Dieselmotoren mit einer Leistung von 115 bis 120 PS, wie sie auch der DDR-Lkw-Bau verwendete. Zu den auf diese Weise neu motorisierten Lokomotiven gehörte auch die Kb 4113, welche mit neuem Antrieb ab April 1955 als Kö 4113 geführt wurde. Als die Deutsche Reichsbahn (DR) per 1. Juni 1970 das EDV-gerechte Betriebsnummernschema einführte, änderte sich die Nummer der Kleinlok in 100 213-8. Im Jahr 1983 ließ die DR erstmals zwei regelspurige Kö auf 1000 mm umspuren. Da sich diese Fahrzeuge auf der meterspurigen Industriebahn Halle bewährten, erfolgte 1984 die Umspurung einer dritten Kö für die Schmalspurbahnen im Harz. Die ehemalige 100 325-0 (ex Kö 4325, BMAG 1934) kam als Meterspurlok 199 010-0 nach Wernigerode.
Die Zeit als 199 012-6
Ungeachtet der politischen Ereignisse und dem sich abzeichnenden Rückgang der Güterverkehrsleitungen auf Nebenstrecken ließ die DR im Jahr 1991 zwei weitere regelspurige Kleinlokomotiven im Raw Halle von 1435 auf 1000 mm umspuren: die 100 639-4 (Jung 1935, ex Kö 4639) zur 199 011-8 und die 100 213-8 zur 199 012-6. Die Erprobung und Abnahme letzterer schloss die DR am 18. April 1991 ab. Sie rangierte anschließend vor allem in der Umladung Wernigerode sowie in Nordhausen. Im Rahmen der Angleichung der Betriebsnummern von Eisenbahnfahrzeugen der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundesbahn erfolgte zum 1. Januar 1992 eine erneute Umzeichnung der Lok. Dabei erhielt die 199 012-6 auf dem Papier die neue Betriebsnummer 399 116-3. Diese Fahrzeugnummer wurde aber nie an das Fahrzeug angeschrieben.
Am 1. Februar 1993 übernahm die neugegründete Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) von der DR nicht nur die Betriebsführung auf den Schmalspurbahnstrecken im Harz (Harzquer- und Brockenbahn sowie Selketalbahn), sondern auch alle Schmalspurbahnfahrzeuge. Die HSB nutzten 199 012-6 bis 1999 weiter, zuletzt im Rangierdienst in Wernigerode Westerntor. Danach brachte sie die Meterspur-Kö nach Ilfeld. Im Vorfeld des Fristablaufes (zum 31. Oktober 2015) der nach 1999 weitergenutzten 199 011-8 entschied die Betriebsleitung, die 16 Jahre lang abgestellte 199 012-6 betriebsfähig aufzuarbeiten. Zum genannten Stichtag löste diese dann 199 011-8 ab, welche seitdem auf dem Gelände der HSB-Werkstatt abgestellt ist. 199 012-6 kann hingegen nun regelmäßig im Werkstattbereich in Wernigerode Westerntor im Rangierdienst angetroffen werden.
14.12.2015