Editorial
Liebe Preß´-Kurier-Leser,
wenn man die Äußerungen, Absichtserklärungen und Aktivitäten zum weiten Feld des Systems Eisenbahn aus den Kreisen der politisch Verantwortlichen bei Bund und Ländern in den vergangenen Wochen und Monaten einer intensiveren Analyse unterzieht, ergibt sich ein extrem widersprüchliches Bild.
Großprojekte wie „Stuttgart 21“, die Schnellfahrstrecke durch den Thüringer Wald abseits wesentlicher Einzugsgebiete, der Leipziger City-Tunnel ohne überregionale Anbindung oder - nicht sonderlich neu, aber gerade mal wieder opportun, es auf die europäische Agenda zu schleifen - eine Neubaustrecke zwischen Dresden und Prag sind Zeichen, dass man Gestaltungswillen demonstriert. Leider ergibt sich häufig die Frage, wie diese Projekte in einen betrieblichen Zusammenhang gebracht und eine Integration in eine bestehende Netzstruktur realisiert werden sollen. Sehr schnell ist für den fachlich kundigen Bürger zu erkennen, dass es doch meist nur reine Kirchturmpolitik ist, während man es der weniger versierten Öffentlichkeit geradezu als Heilsversprechen verkauft, welche tollen Auswirkungen so ein Infrastrukturprojekt doch haben kann. Beim Bahnhofsbau in der schwäbischen Metropole häufen sich die Anzeichen, dass ein Ende mit Schrecken doch besser als ein Schrecken ohne Ende ist. Man kann nur hoffen, dass doch noch Vernunft einzieht und bauliche Alternativen unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der größtmöglichen Akzeptanz in der Bevölkerung angegangen werden. Die (leider spät aktiv gewordene) Öffentlichkeit hat einen nicht unerheblichen Anteil an dieser Entwicklung.
An anderer Stelle wird aber weiter einseitig auf betriebswirtschaftlich optimierten Anforderungen, mit politischen Animositäten oder unter völliger Ausblendung einer Gestaltungschance für zukünftige Entwicklungen geplant und gebaut. Der Einfluss der verschiedensten Lobbygruppen auf die „Eisenbahnpolitik“ ist leicht zu erkennen, wenn man nur den beispielhaft herausgegriffenen Stichworten „Freigabe des Fernlinienverkehrs für Busunternehmen“, „Nachtfahrverbot für lärmende Güterzüge“, „Erhalt des integrierten Bahnkonzerns“ und „Anpassung des Eisenbahnverkehrs in ländlichen Regionen“ folgt. Ganz klar haben diese Themen wirtschaftliche Ziele. Gibt es keinen Widerspruch, sind das medial gut verkaufbare Themen. Erst wenn sich Widerspruch durch Kunden oder Bürger äußert, neigen Entscheidungsträger dazu, auch mal Alternativen zu betrachten.
Eine lange Vorrede, um auf den Punkt zu kommen: Die Interessen von Eisenbahnmuseen, Museumsbahnen und Nostalgiezugveranstaltern können nur dann in einer ambivalenten Verkehrspolitik berücksichtigt werden, wenn sie in gleicher Weise deutlich und vernehmbar artikuliert werden und das lang bemühte „Pufferküsser-Image“ in der Außendarstellung endlich abgelegt wird. Das ist, neben der Publikumswerbung, die wichtigste Kommunikationsaufgabe in den kommenden Monaten und Jahren.
Helfen Sie bitte dabei mit. Es geht um nichts Geringeres als die Existenzgrundlage und -berechtigung der vielen engagiert betriebenen Eisenbahnprojekte.
Glück Auf
09.02.2013