Schmalspurbahn-Geschichte
125 Jahre Bergstrecke Ybbstalbahn (Teil 2)
Nachdem Teil 1 vom Bau und Betrieb der Ybbstalbahn und vor allem des am 12. November 1898 eröffneten Abschnittes Lunz am See – Kienberg-Gaming, der Ybbstalbahn-Bergstrecke, bis 1989 berichtet hatte, setzt dieser Teil im Jahr 1990 ein: Da der 1977 in Hirschwang/Rax gegründete Verein „Österreichische Gesellschaft für Lokalbahnen“ (ÖGLB) infolge seiner langjährigen Sammeltätigkeit über einen großen Fahrzeugbestand verfügt, brachte der Verein im Mai 1990 zwei Dampfloks (die Loks „Molln“ und die U.1 der NÖLB), sechs Personenwagen und einige Güterwagen von Payerbach-Reichenau über Waidhofen/Ybbs und Lunz nach Kienberg-Gaming. Am 14. Juni 1990 fand die festliche Eröffnung des nostalgischen Dampfzugverkehrs statt – danach begann die neue Museumsbahn „Bergstrecke Ybbsthalbahn“ mit dem probeweisen Betrieb an einigen Sommerwochenenden.
Das Eröffnungsjahr war ein voller Erfolg, so dass im Jahr 1991, in dem die Kartause Gaming das Domizil der niederösterreichischen Landesausstellung war, ein auf 91 Tagen ausgeweiteter Betrieb stattfand. In den Museumszügen fuhren 1991 mehr als 14 000 Fahrgäste. Seither ist der „Ötscherland-Express“ ein Anziehungspunkt für Eisenbahnfreunde aus dem In- und Ausland und eine feste Institution des regionalen Tourismus geworden.
Die vergangenen drei Jahrzehnte
Im Jahr 1994 bauten die ÖBB die Gleiskreuzungen im Bahnhof Kienberg-Gaming aus, so dass die Vereinsmitarbeiter ein neues 350 m langes Verbindungsgleis bauen mussten; anlässlich der Festivität „5 Jahre Museumsbahn“ war die seinerzeit auf der Ybbsthalbahn beheimatete Dampflok Bh.1 aus Murau zu Besuch, und die vom Verein erworbene und hauptausgebesserte Diesellok 2093.01 ging in Betrieb. Zwei Jahre danach mietete die ÖGLB im Bahnhof Kienberg von den ÖBB das Gütermagazin und zwei Übernachtungszimmer für die Vereinsmitglieder an; die Gemeinde Lunz errichtete auf Initiative der ÖGLB den Bahnwanderweg von Lunz nach Pfaffenschlag.
Im Jahr 1997 konnte die von der ÖGLB gegründete „Niederösterreichische Lokalbahnen Betriebsgesellsmbh“ (abgekürzt NÖLB-B) mit Hilfe eines Landes- und EU-Förderprojekts die dreigleisige, 36 m lange Fahrzeughalle in Kienberg bauen sowie die historisch wertvolle Verbundlok Uv.1 (ex ÖBB 298.205, gebaut 1902 in Linz für die Mariazellerbahn) und einen Personenwagen generalreparieren lassen. Das Folgejahr (1998) stand ganz im Zeichen von „100 Jahre Ybbstalbahn-Bergstrecke“. In diesem Jahr zogen die Dampfloks Yv.2 des Clubs 598 und die Uv.1 die Museumszüge. Allerdings zeigten sich Schäden an den Brückenhölzern des Wetterbachviadukts. Dank einer Sonderförderung des Landes erhielten beide Trestleworkbrücken 2001 eine Generalsanierung, im Jahr 2003 folgte die Bodingbachbrücke in Eigenregie und 2010 die Pockaubachbrücke, wieder mit Landesförderung.
Ein betrieblich wichtiger Fahrzeugzugang war 2002 die Ankunft der dieselhydraulischen Lok L45H-089 aus Rumänien, welche die NÖLB als 2099.01 einreihte. Nach aufwändigen Reparaturen steht sie seit 2013 für den Betrieb auf der Bergstrecke zur Verfügung.
Ebenfalls viel Arbeit stellten die Gleiserneuerungen 1999 bis 2004 sowie die folgenden Umbauten von Holz- auf Stahlschwellen in Eigenleistung dar. Auf diese Weise sind bisher in Summe 3 km umgebaut. Als bisher letzte Neubauten wurden 2004/ 2005 die an das Heizhaus Kienberg anschließende Werkstätte (mit Landesförderung), 2006 die Holzhalle und 2007 der Draisinenschuppen samt Kohlenplatz und Wasserkran (in Eigenleistung) errichtet. Außerdem wurde das Empfangsgebäude Pfaffenschlag 2006 im Stil von 1898 renoviert. Für den Komfort der Fahrgäste entstanden drei zusätzliche Bedarfshaltestellen: 2002 Lunz Amonhaus, 2006 „Gasthof zur Paula“ und 2007 Hühnernest.
Neben vielen eigenen Wagenrestaurierungen, z. B. des Ci 256, erfolgten 2007/08 in Rumänien bei Georg Hocevar im Auftrag des Vereins die Rekonstruktionen des bosnischen 4.-Klasse-Personenwagens E 254, des Ringhoffer-Personenwagens Ci 11 und der beiden Aussichtswagen, die 1936 aus dreiachsigen Güterwagen der Mariazellerbahn entstanden waren. Bei den Lokomotiven führten die Vereinsmitglieder in mehrjähriger Arbeit die Generalreparatur der Dieselloks 2190.01 bis April 2009 und der 2092.01 bis 2016 durch. Durch Ablauf der Kesselfristen endeten 2005 die Einsätze der Dampfloks „Molln“ und 2006 der U.1. Gleiches geschah 2016 infolge Rohrrinnens mit der Uv.1.
Als die Diesellok 2190.01 am 30. November 2018 führerlos bei der Haltestelle Gaming entgleiste und etwa 10 m den Hang hinabstürzte, erlitt sie schwere Beschädigungen. Nach drei Jahren ohne einsatzfähige Dampflok nahm die ÖGLB im April 2019 die bewährte NÖLB-U.1 wieder in Betrieb. An der zuvor in Rumänien aufgearbeiteten Maschine waren allerdings zahlreiche Nacharbeiten auszuführen.
Die ÖBB geben die Ybbstalbahn auf
Im Jahr 2010 stellten die ÖBB den Betrieb der gesamten Ybbstalbahn ein und übertrugen diese eigentumsmäßig an die Niederösterreichische Verkehrsorganisationsges.m.b.H. (NÖVOG), welche die Bergstrecke leihweise der NÖLB-B übergab. Danach bemühte sich der Verein auch um den anschließenden knapp 11 km langen Abschnitt von Lunz am See nach Göstling. Im Jahr 2012 fixierte er mit der NÖVOG vertraglich, den Nostalgieverkehr ab Juli 2013 bis Göstling auszuweiten. Wegen schikanösen Vorgehens einer Landesbeamtin beim Verfahren zur Verlängerung der Betriebsbewilligung war es dem Ötscherland-Express von September 2014 bis August 2015 unmöglich zu verkehren – ein finanzielles Desaster für den Verein.
Eine positive Entwicklung nahm der systematische Erwerb aller Bahnhöfe der Strecke durch die NÖLB-B. Im Dezember 2013 kaufte die Betriebsgesellschaft des Vereins den Bahnhof Lunz am See, im Herbst 2014 den Bahnhof Pfaffenschlag und im August 2015 den Bahnhof Kienberg-Gaming an. Außerdem stopfte die Fa. Plasser als Gegenleistung für Einstellfahrten mit der neuen Stopfmaschine alle 11 km Stahlschwellengleis. Der Abschnitt Lunz – Göstling wurde wegen der zuletzt eisenbahnfeindlichen Einstellung der Gemeinde Göstling ab 1. Januar 2020 nicht mehr an die NÖLB-B verpachtet, im Jahr 2021 wurden die Gleise von Göstling bis zum Stiegengraben (Grenze zur Gemeinde Lunz am See) abgebaut.
So wechselten sich bei der Nostalgiebahn im vergangenen Jahrzehnt Höhen und Tiefen oft ab. 2020/21 musste zwar der Fahrbetrieb wegen der Corona-Pandemie eingeschränkt werden, aber die Arbeiten der Aktiven gingen unvermindert weiter, so dass die Diesellok 2093.01 eine Hauptuntersuchung erhielt und einige Fahrzeuge revidiert wurden, wie auch notwendige Instandsetzungen an der Bergstrecke stattfanden. Summarisch kann man festhalten, dass im Jahr 2004 der 100 000. Fahrgast und im Jahr 2018 der 200 000. Fahrgast, beide Male jeweils eine Frau, beim Ötscherland-Express begrüßt werden konnten. Im heurigen Jubiläumsjahr wird auf der Ybbstalbahn-Bergstrecke der 240 000. Fahrgast erwartet.
Gastfahrzeuge auf der Bergstrecke
Im Laufe der Jahre konnten die Fahrgäste und Fotografen eine Vielzahl von Gastlokomotiven auf der Bergstrecke bewundern: 1991 die ÖBB-2091.08, von 1998 bis 2000 die Dampflok Yv.2, im Jahr 2000 die 2091.03 vom Club 760 aus Mauterndorf, im Jahr 2006 die Dampflok 699.103 der ÖGEG aus Steyr, im Jahr 2007 die Bh.1 der Steiermärkischen Landesbahnen und die 298.102 der ÖGEG, im Jahr 2008 die Lok „Crişcior 5“ der CFI aus Brad, bis steigende Transportkosten dies unmöglich machten.
Aber seit 2007 sorgten der sächsische Partnerverein der ÖGLB, die IG Preßnitztalbahn e. V., und die ebenfalls in Jöhstadt ansässige Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH (kurz PRESS) bereits mehrfach für in Österreich einmalige Schmalspurerlebnisse. So gelangte mit dem Straßentieflader der PRESS bisher zweimal eine sächsische IV K zur Ybbstalbahn-Bergstrecke. Im Jahr 2017 kam die 99 1542-2 zum Jubiläum „40 Jahre ÖGLB“ nach Kienberg und im September 2020 anlässlich „30 Jahre NÖLB“ die 99 568. Letztere führte allein und zusammen mit der U.1 einmalige und vielbesuchte Dampfzüge über die Bergstrecke.
Ausblick (verfasst im Mai 2023)
Die Zukunft der Bergstrecke hängt vom Umbau des verbliebenen Holzschwellenbereichs auf Stahl- oder Betonschwellen ab. Da der Verein diesen Umbau nicht allein stemmen kann, bemühte sich der Vorstand seit 15 Jahren um entsprechende Unterstützung durch das Land Niederösterreich, dem Eigentümer der Bahnstrecke. Ab 2018 wurde das Regionalprojekt Ybbstal von den zuständigen Politikern, technischen und touristischen Fachleuten sowie den Funktionären der ÖGLB bzw. NÖLB entwickelt. Darüber soll jetzt beim Land entschieden werden. Wenn alle konstruktiv zusammenwirken, können die Bergstrecke sowie ihre Erhalter und Betreiber optimistisch dem nächsten, dem 150. Jubiläum, entgegengehen.
17.10.2023