Kommentar
99 715 - Reaktionen auf „Gedanken zur Vereinsentwicklung in Sachsen und zu Fahrzeugkäufen“
Zu den im „Preß’-Kurier“ 4 (Februar) veröffentlichten „Gedanken zur Vereinsentwicklung und zu Fahrzeugkäufen“ erhielten wir den im folgenden wiedergegebenen Brief der Traditionsbahn Radebeul-Radeburg e.V. In einem Antwortschreiben der Redaktion und der Vorstände von IGP und VSE wurden die konkreten Fakten noch einmal dargelegt. Da jedoch von der Traditionsbahn die Bitte geäußert wurde, ihren Brief zu veröffentlichen, kommen wir dem natürlich nach.
Radebeul, 31.03.92
Werte Eisenbahnfreunde,
mit Interesse haben wir den Artikel zur Vereinsentwicklung und zu Fahrzeugverkäufen … gelesen.
Ihre Angriffe auf unseren Verein und den Vorsitzenden Herrn Burghardt sollten allerdings nicht ohne Kommentar bleiben. Sicherlich vermögen auch diese Zeilen konträre Ansichten nicht zu vereinen und Verbissene nicht zu überzeugen.
Wir sind der Auffassung, daß die drastische Diktion und die offensichtlichen Drohungen einer Entschuldigung bedürfen. Der Stil Ihrer Angriffe läßt ein Auftreten erkennen, das einen Zacken schärfer und intoleranter ist, als der von Ihnen verrufene DMV es hatte. Ihr alleiniger Anspruch auf die Darstellung der Wahrheit und Ihre Angriffe auf alles, was nicht Ihrem Verein dient sind für uns zweifelhaft und lassen wenig Seriösität erkennen.
Zur Lokomotive 99 715 ist anzumerken, daß diese 1974 im Rahmen einer Fahrzeugsammlung der DR und des Verkehrsmuseums in Radebeul stand und durch unsere damalige Arbeitsgemeinschaft 3/58 gepflegt wurde. Nur dadurch blieb die Lok in einem denkmalwürdigen Zustand erhalten, von einer wiederentdeckten Liebe kann also keine Rede sein.
Das die DR die Lok als Ersatzteilspender für die 99 713 nutzte, ist weder der DR noch uns vorzuwerfen und hat den Denkmalscharackter zu keiner Zeit gefährdet.
Daß sie erst 1991 auf die offizielle Denkmalliste des Kreises kam, ist vor allem auf die Rbd Dresden zurückzuführen. Wir verwahren uns gegen die Darstellung des VSE, daß wir öffentlich erklärt hätten, die Lok 99 715 nicht kaufen zu wollen. Im Februar 1991 gab es einen Vorstandsbeschluß, Fahrzeuge zum damaligen Zeitpunkt nicht zu erwerben. Zu gegebener Zeit sollte darüber laut Beschluß neu zu befinden sein. Der DR-Zentrale war unser Interesse an der gesamten Radebeuler Fahrzeugsammlung bekannt. Unsere Zurückhaltung war von völlig anderen Bedingungen diktiert, im Vergleich z.B. zu Jöhstadt.
Seit dem Sommer 1991 betrieb offensichtlich der VSE seine Bestrebungen zum Lokkauf, ohne daß je eine Kontaktaufnahme mit uns erfolgt wäre. Durch die bewußte Heimlichtuerei können wir uns jedoch des Eindruckes nicht erwehren, daß hier ausschließlich eigene Interessen des VSE durchgesetzt werden sollten und an eine Zusammenarbeit von vornherein nicht gedacht war. Allerdings haben wir tatsächlich zwei ernsthafte Hinweise zum geplanten Verkauf der 99 715 bekommen. In jedem Falle wurde aber in der HA Tm in Berlin dementiert, daß ein Kaufantrag vorläge, auch in der Rbd Dresden wollte keiner etwas davon wissen.
Wie das zusammenhängt, wissen sie vieleicht besser als wir. Im übrigen sollte die Lok nur an das Betreuungskollektiv verkauft werden. Nur hielt die HA Tm den VSE für dieses Kollektiv. Komisch - oder wie sollen wir das werten?
Gab es wirklich Bewerber aus den alten Bundesländern? Die infragekommenden Museumsbahnen aus Würtemberg dementierten dies, nun soll angeblich ein Schweizer Kaufabsichten gehabt haben. Es sollte dem VSE angelegen sein, wenigstens diese Dinge im Nachgang aufzuhellen.
Die angeblich vom VSE erstrittenen günstigen Kaufbedingungen für Vereine aus den neuen Bundesländern waren noch vom DMV sowie vom BDEF längst angeschoben worden. Fazit: Bevor man über über die Reaktionen polemisiert, sollte man erst die Aktion selbst nochmal überdenken.
In unserem Verein ist es üblich, daß wesentliche Dinge in der Mitgliederversammlung oder im Vorstand mit Mehrheit entschieden werden. Persönliche Angriffe auf den Vorsitzenden sind also zwecklos. Sollten Sie interne Probleme mit unserem Vorsitzenden haben, so machen sie diese unserem Vorstand mit den entsprechenden Fakten bekannt. Pauschale Anwürfe führen zu keinem Ergebnis.
Wir empfehlen den Mitgliedern des VSE im Umgang mit anderen Vereinen Sachlichkeit sowie einen entsprechenden Ton. Mehrfach konnten wir uns von Ihren Ausfälligkeiten überzeugen. (u.a. 09.07.91 in Oberwiesenthal). … Wenn nur die Auffassung des VSE Bestand haben soll, wird es schwierig, eine gemeinsame Basis für die Hobbytätigkeit von Eisenbahnfreunden zu finden.
An welchem Strick soll man also in Zukunft gemeinsam ziehen? Wir sind für Ihre Vorschläge jederzeit offen.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Prautzsch (stellv. Vorsitzender)
Roland Ende (stellv. Vorsitzender)
(gekürzt)
Als ehemaliges Vorstandsmitglied der Traditionsbahn Radebeul - Radeburg e.V. möchte ich einige Bemerkung zu dem veröffentlichten Brief machen.
Sicherlich konnten die Radebeuler Eisenbahnfreunde zu DDR-Zeiten davon ausgehen, daß die Lok 99 715 einen gewissen Denkmalscharakter besaß und am Status quo nicht gerüttelt werden würde. Auch mir war erst im Frühjahr 1991 bekannt geworden, daß die Maschine gar nicht dem Verkehrsmuseum Dresden, sondern noch der Deutschen Reichsbahn gehörte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte gehandelt werden müssen, die Tendenz zum Verkauf der „überflüssigen“ Lokomotiven durch die DR war bereits 1990 abzusehen gewesen.
Von mir vorgeschlagene Fahrzeugkäufe wurden jedoch immer wieder von den meisten Vorstandsmitgliedern abgelehnt.
Auf eine entsprechende Anfrage informierte ich den Vorstand am 1.7.91 über das Vorliegen eines Antrages zum Kauf der Lok 99 715, gestellt durch den Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde, nachdem zuvor der Vorsitzende der Traditionsbahn, Herr Burghardt, die Ernsthaftigkeit der Situation heruntergespielt hatte. Herr Burghardt endete mit den Worten : „… und wenn es so wäre (Kaufabsicht des VSE - M.R.), könnten wir die Lok sowieso nicht kaufen.“ Ich sah daher keinen Anlaß, in irgendeiner Form den Vorstand des VSE vom Kauf der VI K abzuraten bzw. um Rücknahme des Kaufantrages zu bitte. Umso unverständlicher ist für mich daher die Reaktion einiger weniger Mitglieder der Traditionsbahn Radebeul auf den Verkauf.
Offensichtlich ist in einigen Köpfen immer noch nicht klar, daß seit 1990 auch im Osten Deutschlands entsprechend „marktwirtschaftliches“ bürgerliches Recht gilt. Die Verwendung einschließlich des Verkaufes eines Gegenstandes ist alleinige Sache des Eigentümers. Dies wird ganz sicher auch nicht vorher in irgend welchen „Organen“ bekanntgegeben. Auch in Zukunft und auch bei anderen Vereinen wird das der Fall sein.
Matthias Rothe Mitglied der IG Preßnitztalbahn e.V.
In dem bereits erwähnten umfangreichen Antwortschreiben an die Traditionsbahn wurden folgende Punkte hervorgehoben:
Nutzung als Ersatzteilspender durch die DR widerspricht der Auffassung von einem Denkmal (auch nach früherem Recht), Die Beschlußlage, keine Fahrzeuge erwerben zu wollen, war aus den bekannten Informationen des Vereins klar erkennbar. Der VSE betrieb die Kaufabsichten natürlich in seinem Interesse, um die Lok für Sachsen zu erhalten. Er ist aber nie mit dem Anspruch aufgetreten, daß Betreuungskollektiv zu sein. Infos über andere Bewerber hatte der VSE, kannte diese aber nicht, hat aber auch kein Interesse, diese kennenzulernen. Weiter ging es im Schreiben um die erwähnten Vereinsprobleme (Ausfälligkeiten u.a.). Es wurde aber auch festgestellt, daß weder VSE noch IGP etwas „gegen“ die Radebeuler Eisenbahnfreunde haben, sondern es nur um konkrete Fakten, teils mit konträren Ansichten geht. Insbesondere gestaltet sich die Arbeit mit Herrn Burghardt als äußerst kompliziert, da dieser nach unserer Ansicht seine Kompetenzen als Angestellter in der Rbd Dresden, Abteilung Personenverkehr in Fragen besonders der Sonderzugtarifgestaltung gegenüber dem VSE und seinen Mitgliedsvereinen weidlich ausnutzt, diesen das Arbeiten (finanziell) zu erschweren.
Die Redaktion erhielt Anfang Mai vom Herrn Prautzsch eine Antwort, in welchem noch einmal die angesprochenen Fakten dargelegt und teils gegensätzliche Ansichten festgestellt wurden. Allerdings wurden in einem beiliegenden Vorschlag des Vorstandes der Traditionsbahn an die Vorstände von IGP und VSE die Akzeptanz der unterschiedlichen Standpunkte zur 99 715 angesprochen. Weiterhin ging es im einzelnen um Formen der künftigen Zusammenarbeit der Vereine. Ein ständiger Kriegszustand ist sicherlich für keinen erstrebenswert.
Ein vereinbartes Gespräch zwischen den Vorständen von Trditionsbahn und IGP zur Klärung der Differenzen am 20.5. kam leider wegen Terminschwierigkeiten nicht zustande. Der „Preß’-Kurier“ wird nach stattfinden berichten.
25.05.1992