Editorial
Liebe Preß’-Kurier-Leser,
wettermäßig hätte sich der 12. Januar 2024 doch etwas mehr anstrengen können, nachdem die beiden vorangegangenen Tage im Erzgebirge noch mit Sonne satt geglänzt hatten. So blieb die trüb-kalte Witterung der einzige Makel, den man an diesem Freitagnachmittag in Oberschmiedeberg finden konnte.
Fast auf den Tag genau erstmals seit 40 Jahren dampfte in diesem Bahnhof der Preßnitztalbahn wieder eine Dampflok. Rund 200 Gäste bevölkerten das Bahnhofsareal der kleinen Ortschaft, die gerade einmal einen Bruchteil an Einwohnern zählt. Medien nahmen von diesem Flecken im Preßnitztal Notiz und im Ministerium für Kultur und Tourismus muss man ob der vielfältigen Aufmerksamkeit für den Besuch der Ministerin wohl für ein paar Tage den Mittelpunkt Sachsens in Oberschmiedeberg verortet haben. Dass der erste Dampf auf dem Bahnhof ausgerechnet von der I K Nr. 54 ausgestoßen wurde, die nach dem Unfall im September 2022 einem Neuaufbau gleich instandgesetzt werden musste, ist als gutes Omen zu bewerten.
Viel zu selten – so kommt es einem momentan vor – werden die positiven Ereignisse wirklich wahrgenommen und auch genutzt. Leider zog auch der Landrat des Erzgebirgskreises es vor, dem Druck der Landwirte am Ende ihrer Protestwoche folgend sich vorsorglich lieber nicht zeitgleich mit einem positiven Ereignis in Verbindung bringen zu lassen. Sind nicht genau diese Art der Selbstgeißelung und Angst vor Aktivität ein Grund dafür, dass die irrwitzige Erzählung mancher Kreise davon, dass alles nur noch schlechter wird, scheinbar so gut verfängt?
Jedenfalls kann man die „Oberschmiedeberger Erklärung“ wirklich als positiven Ausblick werten. Gemeindevertreter und Bürgermeister der Ortschaften entlang von Preßnitz und Schwarzwasser haben sich dafür entschieden, Möglichkeiten entstehen zu lassen. Nicht mehr, denn natürlich bedeutet diese Erklärung noch nicht, dass die Bahnlinie zwischen Wolkenstein und Jöhstadt nun bald in Gänze auferstehen wird. Aber es ist ein Bekenntnis, Gestaltungswillen und -potential für die Zukunft zu behalten. Es gäbe viele Bahnbetreiber und Vereine in Deutschland sowie Österreich aufzuzählen, die am Unverständnis ihrer Volksvertreter über die Möglichkeiten einer Eisenbahn in den jeweiligen Ortschaften schier verzweifeln. Hoffen wir, dass diese positive Erzählung vielleicht auch an anderen Orten als Inspiration genannt werden kann: Sich nicht nur an der Komplexität von Problemen zu orientieren, sondern den Reiz der Möglichkeiten und Herausforderungen anzunehmen.
Der Jahresanfang 2024 brachte den Neustart einer sogenannten „gemeinwohlorientierten“ Infrastrukturgesellschaft der Eisenbahnen des Bundes. Die DB InfraGO AG muss massiv in ein marodes Netz investieren, während die Finanzierungsgrundlagen durch die Bundesregierung schon wieder teilweise in Frage gestellt werden. Dass man die Zielstellung der neuen Gesellschaft zudem mit einer immensen Erhöhung der Trassengebühren für die Nutzer damit gleich wieder konterkariert, scheint im DB-Vorstand und im Bundesverkehrsministerium aber noch niemandem bewusst geworden zu sein. Damit kann sich die Light-Version einer Trennung von Infrastruktur und Betrieb schnell als Rohrkrepierer herausstellen.
Wir freuen uns mit Ihnen gemeinsam auf einen neuen Jahrgang, in dem wir den nächsten Hunderter unserer Zeitschrift beginnen werden. Vergessen Sie bitte nicht, den vielfältigen Aktivitäten für die Schiene durch Vereine und Museen Ihre Unterstützung zu zeigen.
Glück Auf
14.02.2024