Geschichte(n) um das Preßnitztal
Die Bergstadt Preßnitz
Die Geschichte der Stadt Preßnitz (tschechisch: Přísečnice) ist schier unglaublich. Schon im 14. Jahrhundert werden in diesem Bereich vom Erzgebirge reiche Silber- und Eisenerzvorkommen entdeckt. Preßnitz prosperiert. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, die Lagerstätten sind erschöpft, müssen sich die Preßnitzer eine neue Einnahmequelle suchen. Im 19. Jahrhundert wird Preßnitz dann als Musikstadt berühmt. Die Musikschule der Stadt bringt eine Menge talentierte Musiker hervor, vor allem die Mädchen sind sehr begabt. Mit ihren Harfen auf dem Rücken ziehen viele von ihnen in die Ferne und werden als Preßnitzer Harfenmädchen weltbekannt. Ab 1830 bilden sie ganze Damenorchester. In den folgenden 100 Jahren sind sie gern gesehene Gäste an Deck der großen Ozeanschiffe, spielen im berüchtigten Shepheard-Hotel in Kairo, vor dem russischen Zaren, in Japan und in Kalifornien. Im Jahr 1945 wird die Musikschule in Preßnitz – inzwischen eine Institution von Weltruf – geschlossen. Und für die Stadt beginnt ein tragisches Kapitel: die Vertreibung der deutschböhmischen Bevölkerung.
Die Vertreibung der Sudetendeutschen markiert den Anfang des Untergangs von Preßnitz. Die Stadt verfällt zunehmend. Die neu angesiedelten Tschechen und Roma fühlen sich in ihr nicht zu Hause. Dann beschließt die Regierung in Prag, Preßnitz für eine Trinkwassertalsperre zu fluten. Doch vor dem Wasser kommt noch ein Filmteam aus Westdeutschland in die menschenleere Geisterstadt. Im Jahr 1973 dreht Johannes Schaaf hier den surrealen Streifen „Traumstadt“. Für diesen werden mehrere Wohnhäuser vor laufender Kamera in die Luft gejagt.
Auf dem Grund des Stausees liegen also ganz unglaubliche Geschichten versunken. Diese sollten viel mehr Menschen kennen, sagt die tschechische Lehrerin Veronika Kupková. Mit tschechischen und deutschen Schülern beginnt sie im Jahr 2017 ein gemeinsames Projekt. Ein Ziel ist das Aufstellen von zweisprachigen Tafeln rund um die Talsperre. Im Laufe von zwei Jahren förderten die Beteiligten so viel Material zu Tage, dass daraus ein umfangreiches Buch entstand, das seit November 2020 aller Welt von der einst berühmten Berg- und Musikstadt Preßnitz erzählt. Jacqueline Hene/MDR
Preßnitz und die Preßnitztalbahn:
Preßnitz lag nur wenige Kilometer von der Preßnitztalbahn entfernt. Beide verband das für Bahn und Stadt namensgebende Flüsschen. Daher begrüßt der Vorstand der IG Preßnitztalbahn e. V. das heimatkundliche Forschungsprojekt im näheren Umkreis der Museumsbahn Steinbach – Jöhstadt um die „versunkene“ Stadt Preßnitz. Tschechische und deutsche Schüler haben das Leben in dieser Stadt erforscht, haben ehemalige Einwohner besucht und Bild- sowie Kartenmaterial zusammengetragen. Das dadurch entstandene Buch kann seit Anfang 2021 auch über die IG Preßnitztalbahn e. V. erworben werden. Das Werk hat einen Umfang von 544 Seiten im Format 17,8 x 24,7 cm und kostet 29 Euro. Um diese Dinge weiter zu erforschen, ist in der Tschechischen Republik die Gründung eines Vereins vorgesehen. Dieser soll in Kooperation mit dem tschechischen Staatsforstbetrieb um den Stausee eine Art „Lehrpfad“ anlegen. In Zusammenarbeit mit dem Hammerwerk Schmalzgrube e. V. könnte im Laufe des Jahres 2021 in Schmalzgrube ein Ausstellungsraum zur Geschichte der Stadt Preßnitz eingerichtet werden. Info-Folien und -Rollos zu diesem Thema waren bereits in verschiedenen Ausstellungen im Erzgebirge zu sehen. Originale Lebensgegenstände von ehemaligen Einwohnern sollen die Materialsammlung bald ergänzen.
13.02.2021