Nachrichten von der Insel Rügen
Neubau einer Betriebswerkstatt und der touristischen Eisenbahn-Erlebniswelt in Putbus gestartet
Änderungsbedarf frühzeitig erkannt
Mit der Übernahme des „Rasenden Roland“ im Jahr 2008 durch die Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH (PRESS) nach erfolgter Ausschreibung standen die Verantwortlichen vor einer großen Fülle an Aufgaben. Der durch die Vorbetreiber der Strecke hinterlassene Investitionsstau musste in kurzer Zeit abgebaut werden, um einen sicheren Bahnbetrieb zu gewährleisten. Zunächst nahm die PRESS mit Leihfahrzeugen aus Sachsen kurzfristig den Betrieb auf. Neben zahlreichen Investitionen in Lokomotiven und Wagen legte die RüBB auf die grundlegende Modernisierung der Infrastruktur des Abschnitts zwischen Baabe und Göhren sowie des Bahnhofs Göhren Wert. Nur so konnte und kann den heutigen Ansprüchen eines attraktiven ÖPNV auf der Insel Rügen bei Einsatz von Dampfzügen Rechnung getragen werden. Bereits vor mehr als zehn Jahren begannen erste Planungen für den Neubau einer Betriebswerkstatt am Standort Putbus. Die vorhandenen Anlagen stammen mit der ursprünglichen Wagenwerkstatt noch aus der Anfangszeit der Rü.K.B im Jahre 1895. Da die seit den 1980er Jahren auf Rügen verkehrenden Lokomotiven der Baureihe 9977–79 nicht in den alten Lokschuppen passten, begann der Bau des heutigen Lokschuppens mit dem Werkstattanbau. Eine endgültige Fertigstellung ist bis heute jedoch nie erfolgt. Vorgesehen war dieses Gebäude zunächst auch nur für die Lokabstellung und die leichte Instandhaltung – alle weiteren Untersuchungen und Aufarbeitungen sollten ausschließlich im Raw „DSF“ in Görlitz ausgeführt werden. Den heutigen Aufgaben der Instandhaltung von Dampflokomotiven sowie der Reise- und Güterwagen ist die vorhandene Infrastruktur in Putbus längst nicht mehr gewachsen. Viele Arbeiten sind nur von außerhalb und unter provisorischen Bedingungen durchführbar.
Neubauprojekt gestartet
Gemeinsam mit dem Landkreis Vorpommern-Rügen als Eigentümer der Schmalspurbahn und dem Land Mecklenburg-Vorpommern konnte in den vergangenen drei Jahren die Planung für den Neubau der Betriebswerkstatt intensiviert werden. Im Sommer 2020 trafen alle notwendigen Unterlagen bei der Plangenehmigungsbehörde in Schwerin ein. Nach Anhörung aller Träger öffentlicher Belange und der Planung notwendiger Nachbesserungen erhielt der Landkreis Vorpommern-Rügen im Frühjahr 2021 die Plangenehmigung. Auf dieser Grundlage konnten die Förderanträge bei den beteiligten Fördermittelgebern gestellt werden. Ebenso begannen erste europaweite Ausschreibungen für die Bauausführung. Mit dem offiziellen Spatenstich am 5. August 2021 im Beisein des Ministers für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel, sowie des Landrates des Landkreises Vorpommern-Rügen, Dr. Stefan Kerth, begann die praktische Umsetzung des Gesamtvorhabens. Neben dem Werkstattneubau soll auch eine umfassende Umgestaltung der erhaltungswürdigen Bestandsanlagen in eine touristische Erlebnislandschaft erfolgen, wozu weitere Baumaßnahmen gehören. Im Februar 2021 fanden mit dem Fällen von Bäumen im Bereich der Ladestraße erste bauvorbereitende Tätigkeiten statt, bevor Anfang September die eigentlichen Bauarbeiten starteten. Zu diesen gehörte der Abriss von kleineren Nebengebäuden, das Anlegen einer Baustraße und die Demontage von Nebengleisen. Über alle Arbeiten im Projektverlauf wird hier im „Preß-Kurier“ auch in den folgenden Ausgaben berichtet werden.
Der Neubau der Betriebswerkstatt
Die neue Betriebswerkstatt in Form eines modernen Zweckbaus entsteht mit einer Breite von ca. 30 m und einer Länge von 80 m auf dem Gelände zwischen der Regelspurstrecke nach Bergen auf Rügen und den Ausfahrgleisen der Schmalspurstrecke nach Göhren bzw. des Damms der früheren Schmalspurstrecke nach Altefähr. Die Gleise im ehemaligen Ausstellungsgelände des Fördervereins zur Erhaltung der Rü.K.B. e. V. wurden dazu bereits entfernt. Neben anderen Abstell- und Verbindungsgleisen erhält die Betriebswerkstatt auf der dem Empfangsgebäude zugewandten Seite zwei Gleise für die Lokabstellung mit insgesamt vier Ständen für die sich in Betrieb befindlichen Lokomotiven. Eine weitere Zufahrt führt in die Wagenwerkstatt. Auf der linken Seite des Bauwerkes befindet sich zudem ein Gleis für die Regelspur, auf dem der Regio-Shuttle der PRESS über Nacht abgestellt werden kann. Unmittelbar angrenzend wird ein weiteres regelspuriges Abstellgleis gebaut. Im Erdgeschoss der Betriebswerkstatt befinden sich künftig Schweißerei, Gießerei und die Metallwerkstatt. In den Obergeschossen werden Büro- und Sozialräume sowie verschiedene Lagermöglichkeiten eingerichtet. Ein Auswaschstand für die etwas schmutzigeren Arbeiten an den Fahrzeugen ist auf der Rückseite des Gebäudes vorgesehen. Vor der Betriebswerkstatt werden sich zudem das Kohlelager und der Ladeplatz befinden. Die bereits bestehende Tankstelle wird in das Gelände integriert, ebenso die Betriebsmittelüberladerampe.
Das Bahnhofsgelände
Der Bahnhof Putbus wird in seiner Gesamtheit den aktuellen Bedürfnissen angepasst. Neben dem Bau der Betriebswerkstatt erhält der Bahnhof zur Brauchwasserbevorratung in Höhe der Betriebsmittelüberladerampe einen Wasserturm mit einer begehbaren Aussichtsplattform, von der sich ein guter Überblick über das Bahnhofsgelände bieten wird. Im Rahmen von Führungen soll die Plattform für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Der Wasserturm speist dann neben dem kleineren Wasserkran für die Schmalspurbahn auch den bisher noch nicht in Betrieb genommenen Wasserkran für Regelspurlokomotiven am Ende des Mittelbahnsteiges in Richtung Lauterbach. Maßgebend das Bild des Bahnhofs prägen wird eine zweigleisige 140 m lange Wagenhalle mit Ziegelfassade. Sie bietet Platz zur witterungsgeschützten Abstellung der Traditionswagen und der regulär eingesetzten Reisezugwagen der RüBB. Von der Rückseite her können interessierte Besucher die abgestellten Wagen durch große Fensterflächen besichtigen. Das westliche Gleis in der Halle erhält eine Waschanlage, um die Wagenaußenseiten in Zukunft maschinell reinigen zu können. So wird auf diesem Gleis eine Plangarnitur über Nacht abgestellt stehen. Im vorderen Bereich soll eine feste Rampe zur Verladung von Fahrzeugen auf Lkw gebaut werden. Der zweigeschossige Kopfbau auf der anderen Seite beinhaltet zudem den Schaltraum für das neue Stellwerk. Symbolischer und faktischer Höhepunkt ist in der neuen Wagenhalle eine frei zugängliche Besucherplattform in der „ersten Etage“ des Kopfbaus, von der aus das Bahnhofsgelände überblickt werden kann.
Betriebliche Abläufe
Der Fahrdienstleiter und Zugleiter behält seinen Platz im Bahnhofsgebäude, auch um weiterhin Ansprechpartner für die Fahrgäste sein zu können. Die bisherige Kombination aus mechanischem Stellwerk und Gleisbildpult zur Bedienung der Signale wird entfallen. Anstelle dessen erhält der Fahrdienstleiter einen großen Gleisbildtisch in der Bauform GS II DR. Erstmals bekommt der Bereich der Schmalspurbahn in Putbus nun elektrisch angetriebene Weichen im Bereich der Fahrstraßen aus bzw. in Richtung Binz. Außerdem wird ein Einfahrsignal als Formsignal aus Richtung Binz aufgestellt. Entsprechende Ausfahrsignale sind nicht vorgesehen, hier gilt weiterhin der Abfahrauftrag des Zugleiters als Zustimmung zur Zugfahrt. Alle bereits durch die PRESS aufgestellten Formsignale bleiben bestehen und lassen sich dank der vorhandenen Elektromotoren über das Stellwerk ansteuern.
Touristische Erlebnislandschaft
Anstelle der jetzigen Betriebswerkstatt entsteht eine Eisenbahn-Erlebnislandschaft. In dieser werden drei Gebäude des Bahnhofs in ihrer früheren Bedeutung wieder originalgetreu hergestellt, darunter die ehemalige Wagenwerkstatt und die Kraftfahrzeuggaragen. Neben originalen Eisenbahnfahrzeugen und Exponaten der Schmalspurbahn wird dem Besucher die Geschichte der Kleinbahn auf Rügen auch in multimedialer Form präsentiert und man soll in die beschwerliche Arbeit der Berufsgruppen bei der Kleinbahn eintauchen können. Die Eisenbahn-Erlebnislandschaft erhält natürlich eine Gleisanbindung im Bahnhofsgelände, so dass ein Fahrzeugtausch stattfinden kann. In historischer Anlehnung wird das bekannte „Molkereigleis“ zur Binzer Straße hin neu entstehen, welches einst zwischen Lokschuppen und Werkstatt zur gegenübergelegenen Molkerei führte. Die Gebäude der jetzigen Betriebswerkstatt werden hingegen abgebrochen. Das Gebäude der Wagenmeisterei ist aufgrund der schlechten Bausubstanz und der Schadstoffbelastung ebenfalls nicht mehr zu erhalten.
Der Bau der Eisenbahn-Erlebnislandschaft soll nach der Inbetriebnahme und dem Umzug in die neue Betriebswerkstatt in den Jahren 2023 und 2024 erfolgen. Die PRESS legte bei den Planungen großen Wert auf die Erhaltung von Gleisen und Abstellflächen, um auch in Zukunft genügend Platz für verschiedene Betriebssituationen zu haben. Erwähnenswert ist dabei der Wiederanschluss des Gleises 5 am Güterboden. Als Besonderheit wird dieses Gleis als Dreischienengleis ausgeführt. Regel- und Schmalspurgleis werden dazu hinter dem Bahnübergang der Binzer Straße getrennt ausgefädelt und mittels Gleisverschlingung zusammengeführt. Auf diesem Gleis werden für die Besucher historische Fahrzeuge in beiden Spurweiten ausgestellt. Zum Betrachten dieser wird der jetzt sehr kurze Hausbahnsteig bis an das Ausfahrsignal in Richtung Lauterbach verlängert. Positiver Nebeneffekt ist dann, dass dieser bei Einsatz lokbespannter Züge auch genutzt werden kann. Der Bahnsteig wird als Fußweg fortgesetzt, damit die Besucher direkt in die Eisenbahn-Erlebnislandschaft gelangen können. Ein regelspuriges Umfahrgleis wird es auch in Zukunft nicht geben.
Besonderer Clou – das Viadukt
Der Höhepunkt für Eisenbahnfreunde wird die Ertüchtigung des 1916 in Betrieb genommenen Viadukts der Kleinbahnstrecke nach Altefähr über die Regelspurstrecke Bergen auf Rügen – Lauterbach Mole sein. Als Teil des Bahnhofs wird hierzu ein Ausziehgleis über das Viadukt auf historischem Bahndammverlauf bis zur Berger Landstraße (L301) gelegt. Mit einem Ausstellungszug als Blickfang werden die nicht mit dem Zug anreisenden Besucher auf den Rasenden Roland und die Eisenbahn-Erlebnislandschaft aufmerksam gemacht. Dann sind auch „Paralleleinfahrten“ mit zwei Schmalspurzügen möglich. Thomas Schneider
Persönliche Anmerkung des Autors
Mit dem nun begonnenen Bau wird sich das Erscheinungsbild des Bahnhofs Putbus in den kommenden Jahren massiv ändern. Kaum ein Stein bleibt auf dem anderen, viele Anblicke der historischen Werkstatt werden bald der Vergangenheit angehören. Für den Erhalt der Kleinbahn auf Rügen bringt dieses Projekt aber nur Vorteile und wird den Fortbestand langfristig sichern. Neben den zahlreichen Verbesserungen für das Personal, die Arbeitssicherheit und zeitgemäße Arbeitsbedingungen können damit auch langfristig größere Instandhaltungsarbeiten an Dampflokomotiven ausgeführt werden. Für alle Besucher und Fahrgäste wird ein ansprechendes Ambiente geschaffen, um den „Rasenden Roland“ neben der Mitfahrt im Zug noch intensiver erleben zu können. Die Präsentationsmöglichkeiten für die historischen Fahrzeuge der RüBB werden stark ausgebaut. Bei aller geplanten Veränderung bleibt der Bahnhof Putbus aber vor allem eins: Das Erleben und die Nutzung eines Bahnhofs in seiner wesentlichen Bestimmung als Empfangsbereich und Aushängeschild einer Stadt in einem gepflegten und sicheren Erscheinungsbild, mit Eisenbahnern vor Ort, einer Bahnhofsgastronomie und natürlich weiterhin mit viel Dampf.
14.12.2021