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Rezensiert: Die Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina 1867 – 1918
Werner Schiendl
Die Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina 1867 – 1918
432 Seiten Format A4, gebunden mit zahlreichen schwarzweißen und farbigen Aufnahmen sowie Karten, Tabellen und anderen Grafiken Edition Bahn im Film, Wien 2015 ISBN-13: 978-3-9503096-5-2 Preis: 59,– EUR
Mit knapp 2000 km Länge schlug es einst alle europäischen Rekorde – das bosnische Schmalspurnetz. Von Zeit zu Zeit veröffentlichte Aufnahmen stolzer Schnellzüge auf 760 mm Spurweite oder von urigen Kloselokomotiven, die der sächsischen Gattung III K ähnelten, ließen einzelne Strecken und Fahrzeuge der „Bosnabahnen“ immer wieder einmal in den Fokus von deutschen Eisenbahnfreunden rücken. Doch ein wirklich gutes Nachschlagewerk über Entstehung und Betrieb der bosnischen Schmalspurbahnen gab es bisher nicht. Autoren von älteren Publikationen verfälschten meist aus ideologischen Beweggründen zahlreiche Zusammenhänge in teils unerträglicher Weise.
Seit wenigen Wochen ist nun jedoch zu den Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina ein dickes, deutschsprachiges Buches auf dem Markt, welches die ersten fünf Jahrzehnte des dortigen Bahnbetriebes wissenschaftlich exakt beschreibt. Dem ging ein grundlegendes Quellenstudium voraus, für welches der in Wien lebende Werner Schiendl teils weit mehr als ein Jahrhundert nicht beachtete Archivalien penibel auswertete. Ab 1986 trug er dadurch nicht nur eine Fülle bis dato unbekannter Fakten zur Geschichte des Eisenbahnbetriebes in jener Region zusammen, sondern korrigiert darin auch zahlreiche bisher publizierte Irrtümer.
Wer sich noch nie näher mit Bosnien beschäftigt hat, für den ist das hier vorgestellte Werk die ideale Chance, in die Materie einzusteigen. Kenntnisreich führt der Autor erst einmal grundlegend in die Geschichte ein. Dann klärt er, wer wann warum welche Strecke in welcher Spurweite baute – immerhin verdanken Österreichs Schmalspurbahnen den „Rollbahnen“ in Bosnien ihre 760 mm, wenngleich die erste dortige Eisenbahn (Doberlin – Banjaluka) mit Regelspur entstanden war. In sinnvoller Gliederung beschreibt Werner Schiendl neben der eigentlichen Bosnabahn und deren Nebenstrecken den Aufbau und Betrieb des Netzes der Bosnisch-Herzegowinischen Staatsbahnen (BHStB) zwischen 1895 und 1907, welche ab 2. Dezember 1908 unter dem Namen „Bosnisch-Herzegowinische Landesbahnen“ (BHLB) fortbestanden. Den thematischen Schlussstrich zieht der Autor auf Seite 418 mit der Beschreibung des Kriegsendes in Bosnien im November 1918. In den Kapiteln zuvor findet der Leser natürlich auch Beschreibungen zu den wenigen regelspurigen Eisenbahnen Bosniens und zu den mit 760 mm Spurweite errichteten militärstrategischen Eisenbahnen, zu denen die Dalmatinerbahn, die Bosnische Ostbahn und die legendäre Steinbeisbahn gehören. Auf letzterer kamen nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gebaute Lokomotiven zum Einsatz, was zur Illustration des Buches überleitet. Denn obwohl die textliche Darstellung Schiendls ausschließlich die Zeit von 1867 bis 1918 behandelt, so stammt ein gutes Drittel der abgedruckten Aufnahmen aus den 1960er und 1970er Jahren. Neben diesen brillanten Farbaufnahmen von Alfred Luft, Harald Navé und Werner Frittum enthält das Buch atemberaubende Schwarzweißfotos aus den vier Jahrzehnten unter österreichischer Leitung, kolorierte Ansichtskarten sowie Zeichnungen und Tabellen – allesamt sauber gesetzt und gedruckt. Vergebens wird der Leser hingegen nach technischen Abhandlungen zu den Fahrzeugen und deren Verbleib suchen. Doch die vielen Porträtaufnahmen von Loks sowie Wagen machen die Monographie dennoch auch für reine Fahrzeugfreunde zu einer wahren Fundgrube. Fasziniert betrachtete der Rezensent beispielsweise die Fotos von Stütztenderloks mit Klosesteuerung und sechsachsigen Malletlokomotiven. Fazit: Eine Fleißarbeit sondergleichen, die ab sofort als Standardwerk zum Thema in jedem Bücherschrank stehen sollte. Der Inhalt, Umfang und die Druckqualität rechtfertigen den Buchpreis in jedem Fall.
07.06.2015